Tier zuliebe
und -saucen, in Brotaufstrichen, Majonäse und Salat-Dressings, außerdem in vielen Süßigkeiten, zum Beispiel in Pralinen, Keksen oder Kuchen.
Die Legehennen, die uns diesen enormen Konsum ermöglichen, müssen in einer Legehennenbrüterei zunächst ausgebrütet werden. Da man sich das Geschlecht des Kükens im Ei (noch) nicht aussuchen kann, zeigt sich erst nach dem Schlüpfen, ob das Küken erwünscht ist. Gut die Hälfte der bebrüteten Eier sind »Ausschuss«: alle Männchen nämlich, die deshalb »Eintagsküken« genannt werden. Klingt niedlich. Man denkt dabei vielleicht an Eintagsfliegen, die vor Sonnenuntergang sterben, weil ihre Lebensuhr eben abgelaufen ist. So ist das bei den Küken aber nicht. Nachdem das Küken geschlüpft ist, wirft man einen kurzen Blick auf die Stelle, die Auskunft über das Geschlecht gibt – es wird »gesext«, so der Fachbegriff. Wenn es ein Männchen ist, wird es so achtlos in eine Tonne mit Gas geworfen, als wäre es ein fauler Apfel. Rund 30 Sekunden dauert der jämmerliche Erstickungstod des Kükens. In veralteten Betrieben landet es gar im Häcksler, der den »Ausschuss« zu »Kükenmousse« verarbeitet, wie es im Fachjargon heißt.
Und das klassische Masthuhn? Das Küken kostet mit 33,15 Cent weniger als eine Kiwi. Es wiegt nach dem Schlüpfen 40 Gramm und kommt zunächst in den Stall – aber nicht in den eines klassischen Landwirts, sondern in den eines abhängigen Lohnmästers. Schon drei Tage später muss sich seine Körpermasse verdoppelt haben. Nach einem Monat wiegt es 38-mal mehr als am Tag des Schlüpfens. Der Preis für das Küken hat sich aber nicht verachtunddreißigfacht: Für das ausgewachsene Masthuhn erhält der Mäster gerade mal 90 Cent. Das Leben des Huhns ist kurz: nämlich zwischen 30 und 38 Tage. Im Handel ist es dann als tief gefrorenes Hähnchen zu einem Kilo-Preis von 1,63 bis 2,99 Euro zu haben. Ein Hähnchen aus biologischer Erzeugung würde im Vergleich pro Kilo zwischen 7,95 und 10,30 Euro kosten.
Den einen Monat ihres Lebens vegetieren die Hühner auf engstem Raum zusammengepresst vor sich hin. Bewegung stünde ihnen aber auch bei mehr Raum nicht offen, denn ihre Knochen entwickeln sich viel langsamer als ihr Brustfleisch, das durch die Zucht auf schnelles Wachsen programmiert wurde. Am Ende ihrer 30 Tage werden die Hühner von Sammelmaschinen »geerntet«. Das bedeutet: Eine Maschine mit Gummifingern fährt durch den Stall und befördert die Tiere auf ein Fließband. Von dort werden sie in Kisten gesteckt, die ein LKW zur Geflügelschlachterei bringt. Hier landen sie wieder auf einem Förderband und jetzt fährt das Huhn – langsam, damit es keinen Stress empfindet – seinem Tod entgegen. Wer meint, da stecke womöglich Mitgefühl dahinter, der irrt. Das Huhn soll keinen Stress empfinden, weil sein Fleisch sonst fasrig zu werden droht. Und das möchte man dem Endverbraucher ersparen. Eineinhalb Stunden dauert deshalb diese letzte »Reise« eines Masthuhns. In manch einem Schlachthof treten mehr als 12 000 Tiere in dieser Zeit die Reise an. Am Ende gleiten die Tiere durch eine Röhre, in der sie mit Kohlendioxid betäubt werden, dann werden sie getötet. In älteren Schlachtanlagen läuft es anders ab: Dort werden die lebendigen Tiere mit den Füßen an einer Förderkette aufgehängt und ihr Kopf in ein Wasserbad getaucht, das unter Strom steht. So oder so ähnlich ergeht es Hühnern täglich milliardenfach auf der ganzen Welt. Und es werden nicht weniger: Wurden 1960 noch sechs Milliarden Hühner geschlachtet, sind es heute 45. 2
Weit abgeschottet von uns erleben Milliarden Tiere also in den Schlachthöfen tagtäglich Panik, Schmerzen und Qualen. Doch das Tier im Schlachtbetrieb wird von uns nicht als Kreatur wahrgenommen. Wir machen uns keine Gedanken darüber, wie die letzten Minuten des Hühnerschlegels oder des Wiener Schnitzels auf unseren Tellern ausgesehen haben mögen – klar, sonst würde uns ja auch der Appetit vergehen. Wir leben besser damit, wenn wir es einfach mit einem »Stück« Fleisch zu tun haben. Das ist grotesk. Denn gerade das, was uns Menschen als Spezies auszeichnet, ist Empathie, die Fähigkeit, mitfühlen zu können.
Ohne Empathie kein Mensch
Mitleid mit Tieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, dass man zuversichtlich behaupten darf: Wer gegen Tiere grausam ist, kann kein guter Mensch sein.
(Arthur Schopenhauer)
Das Mitfühlenkönnen ist ein wertvolles Gut. Es ermöglicht soziales
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