Tiere essen
qualvolles Leben schlimmer ist als ein qualvoller Tod.
Diese Farm war so schrecklich, dass ich annahm, auch sie müsste eine Ausnahme sein. Ich glaube, ich konnte mir einfach nicht vor stellen, dass die Menschen so etwas in großem Stil zuließen. Also stieg ich in eine weitere Farm ein, eine Putenfarm. Rein zufällig war ich nur ein paar Tage vor der Schlachtung dort, die Puten wa ren also voll ausgewachsen und standen dicht an dicht. Man konnte den Boden nicht mehr sehen. Die Tiere waren total aus dem Häus chen, haben mit den Flügeln geschlagen, gekreischt, nach einander gehackt. Überall waren tote und halb tote Vögel. Es war traurig. Ich hatte sie da nicht reingesteckt, aber ich habe mich geschämt, ein Mensch zu sein. Ich sagte mir, das müsse eine Ausnahme sein. Und dann bin ich in die nächste Farm eingestiegen. Und in noch eine. Und noch eine.
Vielleicht habe ich das alles getan, weil ich nicht wahrhaben wollte, dass die Dinge, die ich gesehen hatte, die Regel waren. Aber wer sich mit diesen Dingen beschäftigt, weiß, dass es fast nur noch Massentierhaltung gibt. Die meisten Menschen können das nie mit eigenen Augen sehen, aber sie können es durch mich sehen. Ich habe die Bedingungen in Hühner-und Eierfarmen gefilmt, in Puten fabriken, ein paar Schweinefarmen (da kommt man heute über haupt nicht mehr rein), Kaninchenfarmen, auf Trockenplätzen für Milchvieh und in Feedlots für Mastrinder, auf Viehauktionen und in Transportlastern. Ich habe in ein paar Schlachthöfen gearbeitet. Gelegentlich schafft mein Material es in die Abendnachrichten oder in die Zeitung. Ein paar Mal wurde es bei Fällen von Tierquälerei vor Gericht verwendet.
Deswegen helfe ich dir. Ich kenne dich nicht. Ich weiß nicht, was für ein Buch du schreiben willst. Aber wenn irgendetwas von dem, was in diesen Farmen passiert, an die Öffentlichkeit dringt, dann kann es nur gut sein. Die Wahrheit ist in diesem Fall so krass, dass dein Ansatz schon fast egal ist.
Jedenfalls möchte ich nicht, dass es in dem Buch so aussieht, als würde ich dauernd Tiere töten. Das habe ich viermal gemacht, als es sich nicht vermeiden ließ. Normalerweise nehme ich das kränkste Tier mit und bringe es zum Tierarzt. Aber dieses Küken war zu krank, als dass ich es hätte mitnehmen können. Und es hat zu sehr gelitten, als dass ich es einfach hätte dalassen können. Ich bin gegen Abtreibung. Ich glaube an Gott, und ich glaube an den Himmel und die Hölle. Aber ich empfinde nicht diese Verehrung für das Leiden. Massentierbetriebe berechnen genau, wie dicht am Tod sie die Tiere halten können, ohne sie tatsächlich umzubringen. Das ist das Geschäftsmodell. Wie rasant man ihr Wachstum beschleunigen kann, wie eng man sie packen kann, wie viel oder wenig sie fressen, wie krank sie sein können, ohne zu sterben.
Das ist nicht wie bei Tierversuchen, bei denen am Ende des Lei dens noch etwas verhältnismäßig Gutes herauskommt. Hier geht es um das, was wir essen wollen. Sag mir eins: Warum funktioniert der Geschmack, der primitivste unserer Sinne, nicht nach densel ben ethischen Regeln wie unsere anderen Sinne? Wenn man dar über mal nachdenkt, ist das Wahnsinn. Warum hat jemand, der sexuell erregt ist, nicht diesen starken Drang, ein Tier zu vergewal tigen, wie ein Hungriger, es zu töten und zu essen? Man kann diese Frage leicht abtun, aber schwer beantworten. Was würde man von einem Künstler halten, der in einer Galerie Tiere verstümmelt, weil es visuell spannend ist? Wie müsste der Schrei eines gequälten Tiers klingen, damit wir ihn würden hören wollen? Man kann sich keine Sinneswahrnehmung außer dem Geschmack vorstellen, für die es gerechtfertigt wäre, Tieren das anzutun, was wir ihnen antun.
Wenn ich das Logo einer Firma missbrauche, kann ich dafür ins Gefängnis kommen; wenn eine Firma eine Milliarde Vögel miss handelt, dann schützt das Gesetz nicht die Vögel, sondern das Recht der Firma, zu tun, was sie will. So sieht es mit den Tierrechten aus. Es ist doch verrückt, dass es Leute gibt, denen Tierrechte verrückt erscheinen. Wir leben in einer Welt, in der es normal ist, Tiere wie Holzklötze zu behandeln, und es als radikal gilt, Tiere wie Tiere zu behandeln.
Bevor Kinderarbeit verboten wurde, gab es Unternehmen, die ihre zehnjährigen Angestellten gut behandelt haben. Die Gesellschaft hat die Kinderarbeit nicht verboten, weil man sich nicht vorstellen konnte, dass Kinder in einer guten Umgebung arbeiten, sondern weil es
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