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Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
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Blattwerk sehe ich, nur gut zehn Meter entfernt, einen Stacheldrahtzaun und dahinter die Farmgebäude.
    Die Farm besteht aus sieben Ställen, jeweils etwa 15 Meter breit und 150 Meter lang, und darin befinden sich jeweils rund 25 000 Vögel – was ich in diesem Moment allerdings noch nicht weiß.
    An die Ställe angrenzend ist ein riesiger Kornspeicher, der eher aussieht wie etwas aus Blade Runner als aus Unsere kleine Farm. Wie Spinnennetze überziehen Metallrohre die Gebäude von außen, riesige, rauschende Ventilatoren ragen aus ihnen hervor, und Flutlicht wirft sonderbare Lichtkleckse. Jeder hat ja ein Bild von einem Bauernhof im Kopf, bei den meisten gehören Felder, Scheunen, Traktoren und Tiere dazu oder zumindest eines dieser Dinge. Ich bezweifle, dass irgendjemand auf der Welt, der nicht mit Viehzucht zu tun hat, das Bild vor Augen hat, das ich jetzt sehe. Aber vor mir liegt die Art Farm, die 99 Prozent des in den USA konsumierten Fleischs produziert.
    Mit ihren Astronautenhandschuhen hält C. den Stacheldraht so weit auseinander, dass ich hindurchschlüpfen kann. Meine Hose bleibt hängen und reißt, aber es ist sowieso eine Einweghose, die ich extra für diese Aktion gekauft habe. C. reicht mir die Handschuhe, und ich halte den Stacheldraht für sie auseinander.
    Der Boden ist wie auf dem Mond. Bei jedem Schritt versinke ich in einem Matsch aus Tierkot, Schmutz und ich weiß nicht, was sonst noch um die Ställe herum verteilt wurde. Ich muss meine Zehen in die Schuhe krallen, damit sie nicht in dem klebrigen Schlamm stecken bleiben. Ich ducke mich, um so klein wie möglich zu sein, und drücke die Hände an die Hosentaschen, damit ihr Inhalt nicht klimpert. Schnell und leise huschen wir über die freie Fläche zwischen die Ställe, in deren Schutz wir uns freier bewegen können. Riesige Ventilatoren – vielleicht zehn Stück mit einem Durchmesser von je 1,20 Meter – gehen reihum an und aus.
    Wir nähern uns dem ersten Stall. Unter der Tür dringt ein Lichtschimmer heraus. Das ist eine ebenso gute wie schlechte Nachricht: gut, weil wir unsere Taschenlampen nicht werden benutzen müssen, die, das hat C. mir gesagt, die Tiere erschrecken und schlimmstenfalls die ganze Schar in Aufruhr versetzen könnten; und schlecht, weil wir uns nicht verstecken können, sollte jemand die Tür aufmachen und nach dem Rechten sehen. Ich frage mich: Warum ist ein Stall voller Tiere mitten in der Nacht so hell erleuchtet?
    Drinnen bewegt sich etwas, das Summen der Maschinen vermischt sich mit einem Geräusch, das wie ein flüsterndes Publikum klingt oder wie ein Geschäft für Kronleuchter bei einem leichten Erdbeben. C. kämpft mit der Tür und macht mir ein Zeichen, dass wir es beim nächsten Stall versuchen müssen.
    So verbringen wir einige Minuten mit der Suche nach einer offenen Tür.
    Noch ein Warum: Warum schließt ein Farmer seine Truthahnställe ab?
    Sicher nicht aus Angst, man könnte die Betriebseinrichtung oder die Tiere stehlen. Es gibt in den Ställen keine Betriebseinrichtung, die man stehlen könnte, und die Tiere sind den Aufwand nicht wert, den es bedeuten würde, eine nennenswerte Menge von ihnen abzutransportieren. Er schließt seine Türen auch sicher nicht deswegen ab, weil er fürchtet, die Tiere könnten fliehen. (Truthähne können keinen Türknauf drehen.) Und trotz der Schilder geht es auch nicht um Biosicherheit. (Und um sich vor Neugierigen zu schützen, reicht auch der Stacheldraht.) Warum also?
    In den insgesamt drei Jahren, in denen ich mich mit Viehwirtschaft beschäftigt habe, hat mich nichts so sehr beunruhigt wie diese verschlossenen Türen. Nichts verdeutlicht die traurige Wahrheit über die Massentierhaltung besser. Und nichts überzeugt mich stärker, dieses Buch wirklich zu schreiben.
    Wie sich herausstellt, sind verschlossene Türen nur das eine. Ich habe nie eine Antwort von Tyson oder all den anderen Fleischproduzenten bekommen, denen ich geschrieben habe. (Nein zu sagen ist eine Aussage. Gar nicht zu reagieren ist ebenfalls eine.) Auch Forschungseinrichtungen werden permanentdurch diese Geheimniskrämerei behindert. Nachdem die renommierte und finanziell gut ausgestattete Pew Commission eine über zwei Jahre gehende Studie über die Auswirkungen der Massentierhaltung in Auftrag gegeben hatte, berichtete sie, dass
    … es schwerwiegende Behinderungen gab, als die Kommission ihre Beurteilung abschließen und Emp fehlungen aussprechen wollte … Während einige Vertreter der

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