Tiere essen
Hahn, Henne, Geflügel, »The Chicken of Tomorrow«, Masthuhn, Legehenne, Mr. McDonald und mit vielen anderen Namen bezeichnen. Jeder Name erzählt eine Geschichte, aber noch sind keine Geschichten erzählt und keine Namen vergeben, weder für dich noch für andere Tiere.
Wie alle Tiere in dieser Zeit vor dem Anfang pflanzt du dich entsprechend deinen eigenen Bedürfnissen und Instinkten fort. Du wirst weder gefüttert noch zur Arbeit gezwungen, noch beschützt. Du bist nicht mit Brandzeichen oder Etiketten als jemandes Besitz gekennzeichnet. Niemand hat je daran gedacht, dass du etwas bist, das man besitzen könnte.
Als wild lebender Hahn überwachst du die Landschaft, warnst andere mit komplizierten Schreien vor Eindringlingen und verteidigst deine Weibchen mit Schnabel und scharfenKrallen. Als wild lebende Henne kommunizierst du schon mit deinen Kindern, bevor sie schlüpfen. Wenn sie piepsen, weil ihnen etwas wehtut, verlagerst du das Gewicht. Das Bild deines mütterlichen Schutzes und deiner Sorge wird im zweiten Vers der hebräischen Genesis angeführt, um zu beschreiben, wie Gottes erster Atem auf dem ersten Wasser schwebt. Jesus wird dich als Bild für die beschützende Liebe verwenden: »Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel.« Aber die Genesis ist noch nicht geschrieben und Jesus ist noch nicht geboren.
Der erste Mensch
ALLES, WAS DU ISST , hast du selbst gefunden. Normalerweise lebst du nicht mit den Tieren zusammen, die du tötest. Du teilst dir nicht das Land mit ihnen oder wetteiferst mit ihnen darum, sondern du musst losziehen, um sie zu suchen. Wenn du das tust, tötest du normalerweise Tiere, die du nicht als Individuen kennst, außer in der kurzen Zeit der eigentlichen Jagd, und du siehst die Tiere, die du jagst, gewissermaßen als ebenbürtig an. Nicht in jeder Hinsicht (natürlich), aber die Tiere, die du kennst, haben Stärken: Sie haben Fähigkeiten, die den Menschen fehlen, sie können gefährlich sein, können Leben zur Welt bringen, sie sind nicht egal. Für deine Rituale und Traditionen benutzt du Tiere. Du zeichnest sie in den Sand, in die Erde und auf Höhlenwände – nicht nur Tierfiguren, sondern auch Zwitterwesen mit menschlichen und tierischen Anteilen. Tiere sind, was du bist und nicht bist. Du hast eine komplexe Beziehung zu ihnen, in gewissem Sinne eine gleichberechtigte. Das wird sich ändern.
Das erste Problem
ES IST DAS JAHR 8000 VOR CHRISTUS . Das Huhn, einst ein wilder Dschungelvogel, ist domestiziert, ebenso wie Ziegen und Kühe. Das bedeutet eine neue Art der Vertrautheit mit dem Menschen – neue Arten der Fürsorge und neue Arten der Gewalt.
Ein gängiger Denkansatz beschreibt die Domestizierung als gemeinsamen Entwicklungsprozess von Menschen und anderen Arten. Im Wesentlichen geht es darum, dass der Mensch einen Handel mit den Tieren, die wir Hühner, Kühe, Schweine und so weiter nannten, geschlossen hat: Wir beschützen euch, sorgen für eure Nahrung et cetera, und dafür nutzen wir eure Arbeitskraft, nehmen euch Milch und Eier weg, und irgendwann werdet ihr geschlachtet und verzehrt. Das Leben in der Wildnis ist auch kein Kindergeburtstag, sagt diese Logik – die Natur ist grausam –, da ist das doch ein guter Deal. Und die Tiere haben auf ihre Weise eingewilligt. Michael Pollan schreibt in The Omnivore’s Dilemma [Das Dilemma der Allesesser]:
Domestizierung ist eher eine evolutionäre als eine po litische Entwicklung. Sie ist jedenfalls kein System, das die Menschen den Tieren vor zigtausend Jahren aufgezwungen hätten. Es kam vielmehr zur Domes tizierung, als eine Handvoll besonders opportunisti scher Arten nach dem Darwin’schen Prinzip Versuch und Irrtum herausfand, dass sie bessere Überlebens chancen hatten, wenn sie einen Bund mit dem Men schen eingingen. Der Mensch versorgte das Tier mit Nahrung und Schutz, und im Austausch dafür ver sorgten die Tiere den Menschen mit Milch, Eiern und, ja, ihrem Fleisch … Aus dem Blickwinkel der Tiere war der Handel mit dem Menschen ein großer Erfolg, zu mindest bis zu unserer Zeit.
Das ist die postdarwinistische Version des alten Mythos von der Einwilligung der Tiere. Sie wird gern von Viehzüchtern angeführt, um die Grausamkeiten zu verteidigen, die zu ihrem Beruf gehören, und taucht auch in den Curricula von Landwirtschafts-schulen auf. Die Geschichte wird gestützt von der Vorstellung, dass die Interessen der Art der des Individuums
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