Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tiere essen

Tiere essen

Titel: Tiere essen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Safran Foer
Vom Netzwerk:
diese Erreger zunehmend. Wenn zum Beispiel das nächste Mal ein Freund eine plötzliche »Grippe« hat – das, was fälschlicherweise oft »Magen-Darm-Grippe« genannt wird –, stellen Sie mal ein paar Fragen. War es eine dieser 24-Stunden-Krankheiten, die genauso schnell wieder gehen, wie sie gekommen sind – Brechdurchfall, und dann geht’s wieder? Die Diagnose ist nicht so leicht, aber wenn die Antwort auf diese Frage Ja lautet, hatte Ihr Freund wahrscheinlich keine Grippe – er gehört wahrscheinlich zu den 76 Millionen Fällen, die nach Schätzungen des CDC in den USA jährlich durch Lebensmittel krank werden. Ihr Freund hat sich nicht »einen Bazillus gefangen«, er hat vielmehr einen gegessen. Und aller Wahrscheinlichkeit nach stammte der aus Massentierhaltung.
    Abgesehen von der unglaublich großen Zahl an Erkrankungen, die mit der Massentierhaltung zusammenhängen, wissen wir auch, dass die Tierfabriken dazu beitragen, dass immer mehr Erreger gegen antimikrobielle Mittel resistent sind, einfach weil diese Farmen so viel davon verwenden. Wir müssen zum Arzt gehen und uns Antibiotika und andere antimikrobielle Mittel verschreiben lassen, damit nicht zu viele dieser Medikamente genommen werden. Das schützt die öffentliche Gesundheit. Wir akzeptieren diesen Umstand, weil er medizinisch notwendig ist. Mikroben gewöhnen sich irgendwann an antimikrobielle Medikamente, und wir wollen sicherstellen, dass sie nur von den wirklich Kranken genommen werden, solange die Mikroben noch nicht resistent dagegen sind.
    In einer typischen Tierfabrik bekommen die Tiere mit jeder Mahlzeit Medikamente. In Geflügelfarmen ist das, wie bereits beschrieben, geradezu notwendig. Der Industrie war dieses Problem von Anfang an bewusst, aber statt weniger produktive Tiere zu akzeptieren, stärkten sie das geschwächte Immunsystem der Tiere mit Futterzusätzen.
    Nutztiere werden also nichttherapeutisch (das heißt, bevor sie krank werden) mit Antibiotika gefüttert. In den Vereinigten Staaten werden pro Jahr 1,4 Millionen Kilo Antibiotika an Menschen ausgegeben, aber unglaubliche acht Millionen Kilo an Tiere – das ist zumindest die Zahl, die von der Industrie kommuniziert wird. Die Union of Concerned Scientists (UCS) hat nachgewiesen, dass die Industrie ihren Gebrauch von Antibiotika um mindestens 40 Prozent zu niedrig angibt. Die UCS hat ausgerechnet, dass 11,2 Millionen Kilo Antibiotika an Hühner, Schweine und andere Masttiere verfüttert werden, und da ist nur der nichttherapeutische Einsatz berechnet. Und weiter rechnet sie aus, dass geschlagene 6,1 Millionen Kilo dieser antimikrobiellen Mittel in der EU verboten wären.
    Was das für das Entstehen resistenter Erreger bedeutet, liegt auf der Hand. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Resistenz gegen antimikrobielle Mittel der Einführung neuer Medikamente in der Massentierhaltung auf dem Fuße folgt. Nachdem die Food and Drug Administration ( FDA , Lebensmittelbehörde) 1995 gegen den Protest des Seuchenzentrums Fluoroquinolon – zum Beispiel Cipro – für den Einsatz bei Hühnern zugelassen hatte, stieg der Prozentsatz der Bakterienstämme, die gegen die ses starke Mittel resistent waren, bis 2002 von fast null auf 18 Prozent. Eine breiter angelegte Studie im New England Journal of Medicine zeigte für den Zeitraum von 1992 bis1997eine acht fache Erhöhung der Resistenz gegen antimikrobielle Mittel und brachte diesen Anstieg mithilfe molekularer Subtypisierung mit dem Einsatz antimikrobieller Mittel bei Fabrikhühnern in Verbindung.
    Bereits in den 1960er-Jahren haben Wissenschaftler vor dem nichttherapeutischen Einsatz von Antibiotika im Tierfutter gewarnt. Heute haben so unterschiedliche Institutionen wie die American Medical Association, das Seuchenzentrum, das Institute of Medicine (eine Abteilung der National Academy of Sciences) und die Weltgesundheitsorganisation einen Zusammenhang zwischen dem nichttherapeutischen Einsatz von Antibiotika in Massentierhaltungsbetrieben und einer zunehmenden Resistenz gegen antimikrobielle Mittel nachgewiesen und fordern ein Verbot. In den USA hat die Fleischindustrie ein solches Verbot allerdings immer wieder verhindert. Und es ist offensichtlich, dass die Teilverbote in anderen Ländern auch nur eine Teillösung darstellen.
    Es gibt einen himmelschreienden Grund dafür, dass das notwendige absolute Verbot der nichttherapeutischen Benutzung von Antibiotika nicht durchgesetzt wurde: Die Fleischindustrie (im Verbund mit der

Weitere Kostenlose Bücher