Tiffany Duo 48
sich über sie.
Sybil betrachtete ihn nachdenklich. "Gegen Liebestränke kann ich ankämpfen, auch gegen Dulcys Kuppeleien. Ich kann sogar gegen mein eigenes Herz ankämpfen. Auf
keinen Fall aber kann ich dir auch noch widerstehen." Sie schlang ihm die Arme um den Nacken und zog ihn zu sich herab.
Erst am späten Vormittag stand Sybil auf, und da war Nick schon längst
weggefahren. Um diese Fahrt war er nicht herumgekommen, seine alten Freunde
Ray und Connie rechneten fest mit seinem Besuch. Er wollte sie also besuchen, mit
ihnen zusammen essen, sie zur Hochzeit einladen und vor Mitternacht wieder in
Danbury sein. Der Jaguar war ein schnelles Auto, und die Staatsstraßen nach Boston
waren geräumt und gut befahrbar.
Sybil widersprach diesem Plan nicht. Sie war überhaupt nicht in der Stimmung zu
streiten, weder über das Hochzeitsdatum, das Nick bereits festgesetzt hatte noch
über die Gästeliste, nicht einmal über das Für und Wider des Pendelns. Und das
Thema Leona hatte er nicht mehr zur Sprache gebracht.
Falls Sybil noch irgendwelche Zweifel gehabt hatte, dann waren sie durch die
Weihnachtsgeschenke beseitigt worden. Sie hatte den roten Pullover fertig
gestrickt, obwohl sie ganz entsetzt über seine Größe und seine Form gewesen war.
Wie immer war er um die Hütten zu eng, um die Schultern zu weit und viel zu
langärmelig geraten, aber sie hatte dennoch beschlossen, ihn Nick zu schenken.
Teils, weil er sie wegen dieses Pullies immer aufgezogen hatte, zum anderen, weil
ihm die Farbe wirklich außergewöhnlich gut stehen mußte. Er hatte gelacht, als er
ihn ausgepackt hatte, er hatte auch gelacht, als er ihn anprobiert hatte. Der Pullover paßte wie angegossen.
"Ich geb's auf!" sagte sie stöhnend und ließ sich nach hinten in die Kissen fallen.
"Alles, was ich stricke, sieht zum Schluß so aus. Ich muß geahnt haben, daß ich
irgendwann dir begegnen würde."
"Hast du es ausgependelt?" spottete er liebevoll.
"Nein, ich habe Tarot gelegt", erwiderte sie träge. "Wo ist mein Geschenk?"
"Wie kommst du darauf, du könntest eins bekommen? Schließlich haben wir bis
heute nicht mehr miteinander geredet, ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen."
"Stimmt nicht, du wußtest, daß wir uns wiedersehen würden", widersprach sie liebenswürdig. "Was hast du denn für mich?"
Sie fing den kleinen schwarzen Samtbeutel auf, den Nick ihr zuwarf. Etwas Schweres
war darin. Irgendein Stein? Sie öffnete den Beutel, und ein dunkelblaues Pendel fiel
daraus auf die Bettdecke.
"Ich kann es kaum glauben", flüsterte sie fasziniert. "Kleopatras Pendel ..."
"Eine Nachahmung, wie man mir sagte", erklärte Nick.
"Natürlich, das Original liegt im Museum von Alexandria. Ich hörte, man hätte ein paar Kopien davon angefertigt, aber ich hätte nie zu hoffen gewagt, daß ich mal eine
davon besitzen würde." Sie hielt das Pendel andächtig zwischen den Fingern. "Es ist wunderschön, es muß aus Lapislazuli sein. Woher wußtest du, daß ich mir das
sehnlichst gewünscht habe? Ich hätte nie gedacht, daß du überhaupt von diesem
Pendel weißt!"
"Ich habe es ausgependelt."
Sybil schmunzelte. "Aber sicher! Hat Dulcy es dir verraten?" Bewußt unterdrückte sie den winzigen Stich der Eifersucht und schloß die Hände schützend um den
herrlichen Stein.
"Nein, die Mullers", gestand er.
"Habe ich noch Zeit, mich angemessen bei dir dafür zu bedanken?" fragte sie kokett.
"Ergeht es mir dann so wie Anton und Julius Cäsar?" erkundigte er sich und kam näher.
Sie schob die Arme unter den weichen Pullover, der ihm so gut paßte, und
umschlang seine Taille. "Nicht, wenn du dich anständig benimmst. Aber ich sprach auch gar nicht von Sex. Ich dachte, ich könnte rasch für dich auspendeln, ob du eine
gute Fahrt haben wirst."
"Sex wäre mir lieber."
Sybil lachte. "Man kann ja auch beides tun. Dann mußt du allerdings den Pullover ausziehen!"
Bereitwillig streifte er sich den Pullover ab und kam wieder zu ihr ins Bett.
Sybil kochte sich einen starken Kaffee und sang fröhlich Weihnachtslieder. So gut
wie Judy Garland war sie natürlich nicht, auch kannte sie nicht alle Texte, aber
wenigstens sang sie nicht falsch. Und nach den Ereignissen der letzten Nacht war ihr
einfach nach Singen zumute.
Es klingelte an der Tür, und Sybil zuckte so heftig zusammen, daß sie den heißen
Kaffee verschüttete und sich dabei verbrannte. "Herein, die Tür ist offen", rief sie und wischte den Kaffee weg. Dann rieb sie
Weitere Kostenlose Bücher