Tiffany Duo 48
sich die Hände an Nicks langer
Pyjamajacke ab und ging in die Diele.
Leona stand mit glänzenden Augen in der Tür. "Ich dachte mir doch, ich hätte deine Stimme gehört", sagte sie. Sybil wappnete sich instinktiv gegen eine mißbilligende Bemerkung, aber sie kam seltsamerweise nicht. "Ist der Professor da?" murmelte Leona und ging an Sybil vorbei ins Wohnzimmer.
Sybil hatte die Kleidungsstücke längst vom Boden aufgehoben und weggeräumt,
aber wenn sie glaubte, ihre Freundin täuschen zu können, dann hatte sie sich geirrt.
"Er ist nach Boston gefahren und kommt gegen Mitternacht zurück."
Leona ließ sich von Sybil zum Sofa führen, sie machte einen merkwürdig ruhigen und
abwesenden Eindruck. "Also nur für heute, wie? Dann müssen wir uns beeilen."
"Wie bitte?"
Leona sah auf, über ihr Puttengesicht huschte ein Lächeln. "Wie ich sehe, habt ihr beiden eure Meinungsverschiedenheiten beseitigt. Das freut mich."
"Tatsächlich?"
"Aber natürlich! Anfangs hatte ich Zweifel über deinen Professor, als ich ihn
kennenlernte. Und ganz sicher war er mir gegenüber auch sehr ungerecht. Ich denke
aber, in wenigen Tagen werden wir alles geklärt haben, und dann sind wir alle die
besten Freunde. Hat er... hat er gesagt, warum er nach Boston wollte? Besucht er da
seine Familie?"
"Alte Freunde", erklärte Sybil. Sie setzte sich in einen Sessel und schlug die Beine unter. "Ich bin froh, daß du so verständnisvoll bist, Nick redet sich da einfach nur etwas ein, was dich betrifft. Ich bin sicher, wenn wir mal alle ganz offen miteinander sprechen, wird er einsehen, daß er sich geirrt hat."
"Bestimmt", murmelte Leona. "Und jetzt sitzt du also hier, an Weihnachten, ganz allein, und hast nichts zu tun."
"Oh, ich habe eine ganze Menge zu tun. Ich wollte die Hunde herüberholen und
dann vielleicht etwas Leckeres zum Abendessen vorbereiten."
"Das dauert ja alles nicht so lange", wehrte Leona ab. "Tu einer alten Frau einen Gefallen, Sybil, schenk mir ein paar Stunden deiner Zeit heute, weil Weihnachten
ist."
"Hat dir mein Bergkristall nicht gefallen?" zog Sybil sie lächelnd auf. "Du ahnst nicht, wie schwierig es war, gerade diesen zu finden."
"Oh, doch, ich habe mich sehr gefreut! Deshalb brauche ich dich ja auch gerade.
Wenn wir noch einmal eine Rückführung machen und du dabei den Kristall in den
Händen hältst, eröffnen sich uns unbegrenzte Möglichkeiten. Wir wissen ja beide,
daß alle Meditationen und Rückführungen um das Zehnfache wirkungsvoller
werden, wenn man dabei diesen Kristall in den Händen hält." Leonas Augen
glänzten vor Eifer. "In jener Nacht damals konnten wir nicht weitermachen, dein
Professor hatte da einiges mißverstanden. Gib mir noch einmal eine Chance, Sybil,
wer weiß, ob wir noch mal dazukommen!"
Sybil bewegte sich nicht. Aus irgendeinem Grund hatte sie keine Lust dazu, sie
wollte sich Leona nicht wieder ausliefern. Sie wollte nicht nach früheren Leben
suchen, schon gar nicht nach dem der armen Französin mit ihrem ermordeten
Geliebten. Sie wollte einfach nur hierbleiben, ganz allein mit den Hunden, und auf
Nicks Rückkehr warten.
Was sie jedoch wollte und was sie letztendlich tun mußte, war zweierlei. Sie würde
Danbury und Leona ohnehin schon bald genug verlassen müssen, also war das
wirklich die letzte Gelegenheit, und das war sie der alten Frau einfach schuldig.
Außerdem, was konnte es schon schaden? Sie hatte nie Angst vor unerwarteten
Enthüllungen gehabt, da brauchte sie jetzt nicht damit anzufangen. "Gut", sage sie.
"Ich mache mit."
"Nicht hier."
"Was heißt das, nicht hier?" Sybil sah sich in dem gemütlichen, einladenden Zimmer um.
"Hier sind zu viele ungeordnete und unsichere Schwingungen. Hier wohnt ein
Mensch, der diesen Dingen gegenüber skeptisch eingestellt ist, außerdem wurde
hier mal ein Mann grausam ermordet. Diese schlechte Aura existiert immer noch."
Liebe Güte, dachte Sybil, ärgerte sich dann aber über ihre Respektlosigkeit. "Schön.
Wo gehen wir hin?"
"Überlaß das mir." Leona lächelte zufrieden, und ihre kleinen
schwarzen Augen funkelten.
***
"Ich gratuliere!" Ray schlug ihm auf die Schulter und strahlte über das ganze Gesicht.
Nick war klar, daß sein eigenes Lächeln nicht weniger zufrieden wirken mußte, und
dann fiel ihm auch schon Connie um den Hals.
"Das wurde aber auch Zeit!" stellte sie fest. "Wer ist die Glückliche? Eine Karrierefrau? Laß mich raten - eine Anwältin? Eine Museumskuratorin?"
"Eine
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