Tiffany Duo Band 0162
Gedanken an Essen drehte sich ihr fast der Magen um. “Nein, ich … nein, danke. Tee reicht mir.”
Er setzte sich in den weißen Lehnstuhl, der offensichtlich sein Lieblingsplatz war, und schaute zu, wie sie einen Schluck von dem starken Kräutertee trank. Überraschenderweise ging es ihr gleich ein bisschen besser. Sie spürte, dass sie ruhiger wurde.
“Schmeckt gut”, murmelte sie. “Danke.”
Sie redeten eine Weile über ganz alltägliche Dinge – das Wetter, die Sportarten und Vereine, für die er sich interessierte, seine Schwester Cassie, die ihm bei der Einrichtung seines Hauses, das er sich letztes Jahr gekauft hatte, geholfen hatte. Er wollte offenbar erreichen, dass sie sich entspannte. Als ihr das klar wurde, war sie gerührt über die Mühe, die er sich gab.
Sie war fast versucht, einfach weiterhin so dazusitzen, ab und zu einen Schluck von ihrem Tee zu trinken, dem Zischen und Knacken des Feuers zu lauschen und jeden Gedanken an den hinter ihr liegenden scheußlichen Abend oder an diesen viele Monate zurückliegenden Morgen in Chicago zu verdrängen.
Aber sie konnte es nicht länger aufschieben. Sie musste es ihm erzählen.
Und doch war es so viel schwerer als sie geglaubt hatte.
“Jesse, ich muss dir etwas erzählen”, platzte sie schließlich heraus.
Bei ihrem Tonfall horchte er auf und runzelte die Stirn. “Was denn?”
“Ich … ich habe dich vorhin angelogen.”
Die Falten auf seiner Stirn vertieften sich. “Du hast was?”
“Ich habe dich belogen. Ich habe behauptet, nicht zu wissen, wer mein Haus verwüstet hat.”
“Aber du weißt es?”
Sie atmete zitternd tief durch. “Sein Name ist Tommy DeSilva. Ich weiß zwar nicht, wie es möglich ist, aber ich vermute, dass er meine Spur von Chicago aus verfolgt und mich irgendwie gefunden hat.”
“Wer ist das und warum glaubst du, dass er dich sucht?”
Sie wandte den Blick ab. Weil sie das Mitleid und die Abscheu nicht sehen wollte, die sich, wie sie wusste, gleich auf seinem starken männlichen Gesicht widerspiegeln würden.
“Weil ich ihn durch meine Zeugenaussage ins Gefängnis gebracht habe. Es ging um Vergewaltigung und versuchten Mord”, sagte sie schließlich.
Jesse schwieg lange, und als er schließlich sprach, klang seine Stimme seltsam gepresst: “Wer war das Opfer?”
Er weiß es, dachte sie. Sie hörte in seiner Stimme bereits das Mitleid und das Entsetzen mitschwingen. Aber sie musste die Worte trotzdem aussprechen, auch wenn es ihr noch so schwerfiel.
Sie schaute auf ihre fest verschränkten Finger, den glänzenden Stoff ihres Morgenrocks, seinen hellen Teppichboden.
Auf alles, nur nicht auf ihn.
“Ich”, flüsterte sie schließlich. “Vor achtzehn Monaten hat mich Tommy DeSilva überfallen und … und vergewaltigt und dann einfach halb tot liegen gelassen.”
9. KAPITEL
Jesse erstarrte bei ihren schnörkellosen Worten, ihm wurde die Luft knapp und seine Brust wurde so eng, dass sie schmerzte.
Eine Million Gefühle überschwemmten ihn – Entsetzen, Bestürzung, Sorge und vieles mehr. Vor allem aber stieg ein unbändiger Hass auf diesen Schweinehund, der Sarah das angetan hatte, in ihm auf.
Verdammt, er hätte ihr Geheimnis schon viel früher erraten können. Ein wirklich schöner Cop war er. Sie hatte ihm genug Hinweise gegeben, und wenn er ein bisschen aufmerksamer gewesen wäre, wäre es ihm vielleicht gelungen, diesen verdammten Zug zu stoppen.
Aber vielleicht hatte er ja das, was direkt vor seiner Nase lag, nicht sehen wollen. Vielleicht hatte er sich ja der unerträglichen Wahrheit nicht stellen wollen, dass jemand, der so gut und grundanständig war wie Sarah, einer solchen Brutalität zum Opfer fallen könnte.
Bevor er sprechen konnte, musste er sich räuspern, dann fragte er: “Das mit deinem Knie, stammt das von dem Überfall?”
Sie nickte fast unmerklich.
“Möchtest du wissen, wie es passiert ist?”, fragte sie leise, nachdem sie beide eine Weile geschwiegen hatten.
Wollte er es wirklich wissen? Nein. Er wollte sich lieber vormachen, dass es nie passiert war, dass ihr so etwas Scheußliches nie zugestoßen war. In ihm schrie alles danach, sie zu drängen, ihre schlimmen Erfahrungen für sich zu behalten.
Irgendwie wusste er, dass es sie beide unwiderruflich verändern würde, wenn sie es ihm erzählte.
Aber er durfte diesen schrillen Stimmen nicht nachgeben. Es war passiert. Sie war brutal überfallen und vergewaltigt worden. Und hatte überlebt. Es kam ihm engherzig und
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