Tiffany Duo Band 0162
überzeugen, dass sie die meisten Krisen auch ohne seine Hilfe meistern konnten, schienen nichts gefruchtet zu haben. Wenn eine Entscheidung anstand, riefen sie immer noch an, um seine Meinung einzuholen, egal, ob es darum ging, irgendwem einen Strafzettel zu verpassen oder was für eine Art Filter man bei der Kaffeemaschine am besten nahm.
Offenbar musste er sich noch ein bisschen mehr Mühe geben.
“Das sollte besser wichtig sein”, knurrte er ins Telefon.
Am anderen Ende der Leitung herrschte eine ganze Weile Schweigen, dann fragte eine ängstliche, atemlos klingende Stimme: “Jesse? Bist du das?”
Er vergaß das Basketballspiel auf der Stelle. “Sarah! Was ist los?” Er wusste instinktiv, dass sie ihn nicht zu Hause angerufen hätte, wenn es nicht wirklich wichtig wäre – besonders nicht nach dem gestrigen Tag.
“Kannst du … glaubst du, dass du kurz rüberkommen kannst?”
Er war bereits in seinen Stiefeln, ohne sich die Zeit genommen zu haben, vorher Socken anzuziehen. “Bin schon unterwegs.”
“Es tut mir leid, dass ich dich störe, aber ich weiß nicht, wen ich sonst anrufen soll.”
Sie klang komisch, irgendwie desorientiert, fast als ob sie Drogen genommen hätte. Doch Jesse wusste, dass das nicht sein konnte. Sie nahm keine Drogen. Nicht die süße zerbrechliche Sarah McKenzie.
Er erinnerte sich an die Situation auf ihrer Veranda, als ihr Knie nachgegeben und er sie aufgefangen hatte. Genauso kam sie ihm jetzt wieder vor – wie jemand am Rand einer ausgewachsenen Panikattacke.
“Was ist passiert?”, wiederholte er, wobei er versuchte, seine eigene Panik in den Griff zu bekommen.
“Ich weiß nicht. Da ist überall Blut. Bitte komm schnell.”
Überall Blut. Das waren die einzigen Worte, die sein Gehirn registrierte.
“Sarah?”, rief er ins Telefon, aber die Leitung war bereits tot.
Als er vor ihrem Haus scharf bremste, stand sie, ihr Handy an die Brust gepresst, leicht schwankend mitten auf der Straße.
Er sprang aus seinem Geländewagen, rannte auf sie zu und zog sie in seine Arme. “Sarah! Was ist passiert? Bist du verletzt?”
“Nein. Dort!”
Er war so vollständig auf sie konzentriert, dass er außer ihr nichts wahrnahm. Bis sie zum Haus zeigte.
Zuerst begriff er nicht, was er da sah. Es sah aus wie dunkle Schatten, wo eigentlich keine sein sollten, schmutzig schwarze Schmierer.
Dann wurde sein Blick scharf, und er erkannte, was es war.
Sein Kiefer sackte vor Schreck nach unten, dann stieß er einen ungläubigen Fluch aus – diese dunklen Schatten waren keine Schatten, sondern Blut. Und das war, genauso wie sie ins Telefon geflüstert hatte, wirklich überall.
An den Verandapfosten, der Haustür, auf der Treppe. Literweise. Es sah aus, als ob jemand direkt vor ihrer Haustür einen Ochsen geschlachtet hätte.
Was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten?
Er starrte hin, versuchte sich auf den gruseligen Anblick einen Reim zu machen. So etwas hatte er in den zwölf Jahren seiner Polizeilaufbahn noch nicht gesehen, obwohl sie hier vor ein paar Jahren sogar einmal einen Mord gehabt hatten, als zwei Cowboys wegen einer Frau aufeinander losgegangen waren.
Aber so etwas hatte er noch nicht erlebt.
Sarahs Blut konnte es jedenfalls nicht sein. Sonst würde sie nicht immer noch hier stehen. Obwohl in diesem Moment wie auf ein Stichwort ihre Beine nachgaben. Jesse wurde klar, dass sie, auch wenn sie nicht verletzt war, doch unter Schock stand. Ihr Gesicht war totenbleich, und sie zitterte am ganzen Körper.
“Komm, ich bringe dich in meinen Wagen.” Er hob sie hoch, wobei er auf seltsame Weise gerührt registrierte, wie federleicht sie war, und setzte sie auf den Beifahrersitz. Auf dem Rücksitz hatte er für Notfälle eine Wolldecke, auch wenn er sich einen
solchen
Notfall in seinen wildesten Träumen nicht hätte ausmalen können. Er griff nach der Decke und wickelte Sarah fest darin ein.
“Kannst du mir berichten, was passiert ist?”, fragte er.
Sie zuckte hilflos die Schultern. “Ich weiß nicht. Ich war in der Schule und habe gearbeitet …”
“So spät noch? Allein?”
Er sah, dass sie angesichts seines scharfen Tons zusammenzuckte, und nahm sich sofort zurück. “Entschuldige. Erzähl weiter.”
“Da gibt es nicht viel zu erzählen. Als ich nach Hause kam, sah ich es. Und dann habe ich sofort dich angerufen. Ich weiß nicht, was passiert ist.”
Lange nachdem ihr wie verrückt schmerzendes Knie den Dienst versagt hatte und sie zitternd auf
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