Tiffany Duo Band 0162
wie es in tausend Scherben zersprang.
“Oh, Sarah, ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut.”
Sie fühlte sich plötzlich unendlich erschöpft. So erschöpft, dass sie sich kaum mehr bewegen konnte, und ihr Knie schmerzte heftig.
Jesse sah es ihr an und fragte: “Warum gehst du jetzt nicht ins Bett? Und morgen kannst du ausschlafen. Wenn du möchtest, bitte ich Cassie rüberzukommen.”
“Nein, ich muss in die Schule.”
“Mir scheint, du hast einen guten Grund, einen Tag freizunehmen.”
Damit würde sie nur Chuck Hendricks einen Gefallen tun. “Nein. Ich muss da sein. Wir schreiben eine Mathearbeit.”
Er seufzte über ihre Dickköpfigkeit. “Na gut, dann komm. Ich zeige dir das Gästezimmer.”
Sie wollte nicht dort hineingehen.
Es war Freitagnachmittag und Sarah saß in ihrem Auto und versuchte sich aufzuraffen, diese Treppe hinauf in Jesses Haus zu gehen.
Sie hatte größte Zweifel, ob sie das noch einen Abend und eine Nacht durchstehen würde. Fünf Tage lang hatte sie gelächelt und Small Talk gemacht und sich alle Mühe gegeben, die knisternde Spannung, die zwischen ihr und Jesse in der Luft lag, so gut wie möglich zu ignorieren.
Es machte sie fertig.
Nur noch eine einzige Nacht. Dann hatte sie es hinter sich. Die Firma, die die zerbrochenen Bleiglasfenster reparieren sollte, hatte versprochen, morgen die Handwerker vorbeizuschicken, obwohl Samstag war.
Jetzt musste sie nur noch einen letzten Abend hinter sich bringen, ohne sich anmerken zu lassen, dass ihre Gefühle für Jesse von Minute zu Minute stärker wurden.
Er würde erst in einer oder zwei Stunden nach Hause kommen. In den wenigen Tagen, seit sie hier wohnte, waren sie schon in eine Art Routine verfallen. Sie hatte sich angewöhnt, nach der Schule auf dem Weg zu ihm ein paar Sachen einzukaufen und anschließend das Abendessen vorzubereiten, dann spielte sie eine Weile mit Daisy draußen im Garten.
Wenn Jesse nach Hause kam, erzählten sie sich, was sie im Lauf des Tages alles erlebt hatten, und aßen zusammen.
Nach dem Essen wusch er ab, dann machte er es sich mit der Zeitung oder einem Buch in seinem Lieblingssessel bequem, während sie an seinem Küchentisch die Hausaufgaben der Kinder oder Klassenarbeiten korrigierte. Ein paar quälende Stunden später würde sie auch heute dieses Ausdauertraining aufgeben und sich für eine weitere unruhige Nacht ins Gästezimmer zurückziehen.
Nachdem sie jetzt schon fast eine Woche auf so engem Raum mit Jesse Harte zusammengelebt hatte, wusste sie einfach zu viel über ihn.
Sie wusste, dass er früh aufstand, um zu laufen oder Gewichte zu stemmen, und dass ihm nach dem Training das Haar schweißnass im Nacken klebte.
Sie wusste, dass er mit seinen Nichten am Telefon über alberne Witze lachte, und dass der Klang seines Lachens – tief und volltönend und großzügig – ihr über den Rücken rieselte und sie atemlos machte.
Sie wusste, dass er seinen Beruf liebte und jeden Gesetzesverstoß, der in seiner Stadt begangen wurde, als persönliche Beleidigung auffasste.
Und sie wusste, dass sie gefährlich nah dran war, sich unsterblich in ihn zu verlieben.
Das war der Grund dafür, warum sie jetzt wie der erbärmliche Feigling, der sie war, hier vor seinem Haus im Auto saß und den Mut aufzubringen versuchte, es noch eine weitere Nacht durchzustehen. Mit jedem Augenblick, den sie mit diesem Mann verbrachte, rutschte sie den gefährlichen Abhang ein Stück weiter hinunter, und das machte ihr schrecklich Angst.
Dabei war es absolut lächerlich, das wusste sie. Erbärmlich sogar. Die eingeschüchterte ängstliche Lehrerin verzehrte sich nach dem tollsten Mann der Stadt. Obwohl sich dieser Mann nicht einmal dazu durchringen konnte, sie auch nur auf die beiläufigste Art zu berühren.
Und das war das Vertrackte an der ganzen Angelegenheit. Sie seufzte. Es war der Grund dafür, warum sie nicht ins Haus gehen wollte –weil ihre Versuchung, Jesse zu bitten, sie endlich wieder zu berühren, sie endlich wieder so zu küssen, wie er sie an jenem Tag in den Bergen geküsst hatte, mit jedem Abend größer wurde.
Nur noch eine Nacht. Noch eine Nacht konnte sie doch stark sein, oder nicht? Und morgen würde sie nach Hause gehen, egal, ob die blöden Fenster repariert waren oder nicht, sonst würde sie sich am Ende doch noch seinetwegen zum Narren machen, und das war viel schlimmer als alles andere.
Ein Klopfen an ihrem Autofenster riss sie aus ihren Gedanken. Ihr Herz setzte
Weitere Kostenlose Bücher