Tiffany Duo Band 77
seinen Notizblock, strich über ihr tadellos frisiertes Haar und ließ sich auf dem Besuchersessel nieder. „Augenscheinlich warst du tief in Gedanken versunken."
„Ja. Ich dachte an die Zukunft... die Zukunft der Zeitung."
„Das habe ich vermutet. Ich habe gerade gehört, daß dein Onkel sich endlich aus dem Verlag zurückziehen will. Wie wunderbar für dich. Bist du nicht ganz aufgeregt?"
Sams Gesicht verspannte sich. „Im Grunde tut es mir leid, daß er geht. "
„Mir nicht", entfuhr es Victoria. „Ich meine... dies ist die Chance für uns."
„Für uns?"
„Hör mal, Sam. Weißt du nicht mehr, was du mir vor zwei Monaten gesagt hast?"
Er hob fragend die Augenbrauen.
„Sam, sei nicht komisch." Victoria stand auf und ging auf Sam zu. Mit ihrem langen rotlackierten Fingernagel strich sie über sein Revers. „Ich fragte dich, wann wir unsere Beziehung offiziell machen würden", sagte sie, während ihre Finger zu dem gelockerten Knoten seiner Krawatte wanderten, „und du antwortetest, daran könntest du erst denken, wenn dein Onkel in den Ruhestand ginge. Nun, jetzt ist es soweit. Wir sollten ernsthaft.., du weißt schon." Mit einer sicheren Bewegung schob sie den Windsorknoten hoch und rückte ihn wieder an Ort und Stelle.
Sam reckte den Nacken, als müsse er sich Luft machen. Er erinnerte sich nicht an jene Unterhaltung, aber Victoria schien sich sehr gut zu entsinnen. Was immer er zu ihr gesagt hatte - sie interpretierte seine Worte auf ihre Art.
Er wandte sich wieder zum Fenster und folgte mit dem Blick dem Lauf der Flüsse, sah sich in einem Boot den Ohio hinunterfahren und dann den Mississippi, bis nach New Orleans. In gewisser Weise kam er sich selbst wie ein Fluß vor - er fühlte sich von einer mächtigen Kraft vorwärts getrieben, ohne zu wissen, wo sein Lauf enden würde.
Verleger. Er war einen langen Weg gegangen, seit der Zeit vor zweieinhalb Jahren, als er hoffnungslos auf Grund saß. Sein Onkel hatte ihn damals gerettet, hatte ihn in eine abgelegene Berghütte gebracht und gezwungen, sich auf sein Leben zu besinnen.
Der kinderlose Charlie Shaw gab seinem einzigen Neffen wieder ein Lebensziel, und dafür würde Sam ihm ewig dankbar sein. Er würde Verleger und irgendwann Besitzer der Zeitung werden, aber so imposant das nach außen hin erschien, im Innern fühlte Sam sich verloren. Die innere Leere, die ihn von jeher gequält hatte, gähnte tiefer denn je.
Verdammt, ich bin nicht verloren! dachte Sam und verschränkte entschlossen die Arme vor der Brust. Ich weiß, welches mein Ziel ist. Ich werde diese Zeitung auf Vordermann bringen, und dann...
Und dann - was? Kälte kroch in Sam hoch, und wieder fühlte er dieses Vakuum in sich. Je älter er wurde, desto klarer erkannte er, daß Arbeit und das Streben nach Erfolg nicht genug waren. Und zum erstenmal gestand Sam Triver sich ein, daß er mehr brauchte.
Er spürte Victorias Blick im Rücken. Victoria Willmington, die schöne, elegante Tochter aus reichem Haus mit dem vollendeten Auftreten einer Prinzessin.
Vor etwa einem Jahr war die Gesellschaftsreporterin Sams ständige Begleiterin auf gesellschaftlichen Veranstaltungen geworden - eine praktische Lösung, wie er dachte. Victoria mußte über die Ereignisse berichten, und er brauchte eine weibliche Begleitung. Denn wenn er irgendwo allein auftauchte, stürzte sich aus hundert Meilen Umkreis jede Matrone auf ihn, um ihn mit ihrer Tochter zu liieren.
Nachdem sie zwölf Monate gemeinsam in der Öffentlichkeit auftraten, betrachtete jedermann sie als Paar. Sam fühlte sich von Victoria unter Druck gesetzt, aber auch er selbst glaubte, er müßte die allgemeinen-Erwartungen - und seine eigenen - erfüllen und heiraten.
Victoria und er paßten in vieler Hinsicht zusammen, das mußte er zugeben. Sie arbeiteten beide bei der Presse, kannten dieselben Leute, und beide suchten eine Bindung fürs Leben. Nach dem beruflichen Aufstieg war Heirat Sams nächstes Ziel - ein großes Haus in einem reichen Vorort, dann Kinder...
Der Weg zu einem zufriedenen Leben lag War vor ihm, aber irgend etwas störte Sam. Muß da nicht mehr sein? fragte die Stimme in seinem Innern. Müßtest du nicht mehr empfinden?
Wann hatte er das letzte Mal mit Victoria geschlafen? Vor drei, vier Monaten? Er fand immer einen Vorwand, ihr auszuweichen, und sie drängte ihn nicht.
Lag es an ihm? Gehörte er zu den Männern, die nicht für die Ehe geschaffen waren? Oder steckte er nur in einer vorübergehenden Phase des
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