Tiffany Sexy Band 73
kontrollierte.
Jetzt ist es meine Aufgabe, den Fall zu Ende zu bringen, dachte Kell.
Er stellte seinen Kaffeebecher ab und legte beide Hände darum. „Sie haben ihn überlistet, indem Sie sich tot stellten. Sie haben sich so das Leben gerettet.“
„Zu dumm, dass ich das nicht für alle anderen tun konnte.“
Ihre Stimme klang tonlos, beinah kalt. Obwohl sie verletzt und blutüberströmt aus dem Lokal gekommen war, sprach sie wie ein Außenstehender über die Vorkommnisse.
Die Emotionen zusammen mit der Erinnerung auszublenden, war eine Verarbeitungsstrategie, die man häufig bei Opfern beobachten konnte. „Und wenn Sie jetzt etwas tun könnten? Für die Hinterbliebenen?“
Ihre Miene verriet, dass er einen Nerv getroffen hatte.
„Ich habe es der Polizei und dem Psychologen gesagt, die damals mit mir gesprochen haben, ebenso dem Therapeuten, zu dem ich anschließend monatelang gegangen bin. Ich erinnere mich an Farbsprenkel und an ein Wechselspiel aus Licht und Schatten, als der Mörder durch das Lokal ging, aber ich erinnere mich nicht an ihn. Das Letzte, was ich klar vor Augen habe, ist meine Ankunft auf dem Parkplatz hinter dem Diner, bevor ich meine Schicht antrat. Ich kann mich nicht einmal richtig daran erinnern, dass ich hineingegangen bin.“
Sie war hineingegangen, denn ihre Karte war um 18 Uhr 52 gestempelt worden – acht Minuten, bevor ihre Schicht begann. Danach hatte sie sechs Stunden gearbeitet und – zumindest nahm Kell das an – gerade mit ihren Kollegen herumgeflachst, als der Mörder das Lokal betrat und das Feuer eröffnete.
Jamie, die damals noch Stephanie hieß, ließ sich hinter der Kasse zu Boden fallen. Der Mörder stieß sie mit einem Fußtritt zur Seite. Der Tritt war so heftig, dass später der Abdruck seines Absatzes zwischen den blauen und violetten Verfärbungen ihrer Haut zu erkennen war.
Bei der Ankunft der Polizei lag sie noch genau an der Stelle, an der sie sich hatte fallen lassen, von ihrem eigenen Blut und dem der anderen befleckt.
Die Tatortfotos und die Rekonstruktion des Tathergangs ergaben, dass Jamie mit dem Gesicht zum Fenster lag und demnach auf den Parkplatz hinausschauen konnte. Wenn sie die Augen nur ein einziges Mal geöffnet hätte, dann hätte sie etwas sehen können – das Automodell oder die Farbe des Wagens, vielleicht eine Zahl auf dem Nummernschild, die Kleidung des Mörders, seine Größe und Statur, sein Alter und seine Herkunft. Nur weigerte sich ihr Bewusstsein, zu akzeptieren, was sie sah, deshalb musste er sie nach allen Regeln der Kunst befragen. „Ich weiß, dass Sie sich nicht mehr erinnern. Ihr Gedächtnis tut das, was es tun muss.“
Sie schnaubte verächtlich. „Indem es ausfällt?“
„Indem es Sie schützt. Amnesie ist eine Schutzreaktion, um mit Erlebtem fertig zu werden.“ Genau wie ihr Sarkasmus.
„Sie meinen also, es ist alles da, und ich denke nur nicht intensiv genug nach oder versuche nicht oft genug, mich zu erinnern? Falls Sie gekommen sind, um das …“
Er schnitt ihr das Wort ab, bevor sie sich in ihre Vorwürfe hineinsteigern konnte und nicht mehr hören wollte, was er ihr zu sagen hatte. „Das will ich damit überhaupt nicht sagen. Keineswegs. Ja, die Erinnerungen sind da, aber durch häufiges Nachdenken werden Sie sie nicht finden.“ Kell sah, dass sie an seinen Worten zweifelte.
„Ich nehme an, Sie haben eine Lösung für dieses Problem.“
„Ich nicht“, räumte er ein, „aber ich wüsste vielleicht jemanden.“
Sie wartete und schien sich zu wappnen. Er brachte es rasch hinter sich. „Ich möchte Sie gern einem forensischen Hypnotiseur vorstellen.“
3. KAPITEL
Er möchte. Er möchte gern. Er war auch nicht derjenige, dessen Kopf explodieren würde, sobald diese Erinnerungen zurückkehrten.
„Es tut mir leid, aber ich weiß gar nicht, wie ich Sie ansprechen soll“, sagte Jamie. „Mit Sergeant? Ranger? Trooper?“
„Nennen Sie mich Kell.“
„Gut“, sagte sie, weiter kam sie nicht, denn ein Wagen schoss mit quietschenden Reifen auf den Parkplatz vor dem Restaurant der Cantus. Es war der Suburban ihrer Mutter, und sie machte sich schon darauf gefasst, dass das schwere Fahrzeug die Hausfront rammte.
Erstaunlicherweise kam er schlitternd, schlingernd und Schotter aufwirbelnd zum Stehen, was den Texas Ranger veranlasste, mit einem tiefen „Heiliger Strohsack“ aufzuspringen.
„Das ist meine Mutter“, erklärte Jamie und genoss seinen erschrockenen Blick ebenso wie den Anblick seiner
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