Tiffany Sexy Band 79
mehrmals eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Wegen eines Romans, den er veröffentlichen wolle. Jedoch arbeitete ihr Großvater bereits mit einem Verlag zusammen. Also hatte sie die Nachrichten ignoriert. „Ja“, sagte sie. „Jeder kennt ihn. Was willst du von ihm?“
„Er hat uns einen Bilderroman geschickt. Ich möchte ihn gern veröffentlichen.“
Tenley runzelte die Stirn. Ihr Großvater malte Landschaften. Er wusste nicht einmal, was ein Bilderroman war. Sie schon. Sie hatte sogar schon einmal einen für Josh Barton, den Nachbarssohn, geschrieben. Als Weihnachtsgeschenk und dafür, dass er sich um die Tiere gekümmert hatte. „Hast du ihn dabei?“, fragte sie.
„Ja.“
„Könnte ich ihn sehen?“
„Natürlich. Magst du Bilderromane?“
„Ich habe ein paar gelesen“, erwiderte sie.
„Dieser hier ist unglaublich. Sehr düster. Wer das geschrieben hat, muss von einigen Geistern verfolgt werden. Oder er hat eine tolle Fantasie. Es geht um ein Mädchen namens Cyd, das Tote auferwecken kann.“
Während Alex zu seiner Aktenmappe ging, nahm Tenley ihr Glas und trank drei große Schlucke. Wenn das ihr Roman war, wie hatte der in Alex’ Hände gelangen können? Hatte der vierzehnjährige Josh beschlossen, sich als Kunstagent zu versuchen?
Alex kehrte mit einem Aktenordner zurück und reichte ihn Tenley. „Die Geschichte ist sehr dramatisch und ungewöhnlich. Es ist schwer, Comics zu finden, die sowohl künstlerisch wertvoll sind als auch eine richtig gute Story enthalten. Hier ist beides der Fall.“
Tenley öffnete den Ordner und erkannte sofort das Titelblatt. Ihr Weihnachtsgeschenk für Josh! Sie blätterte durch die fotokopierten Seiten. Was hatte Josh getan? Er war begeistert gewesen, aber sie hätte nie gedacht, dass er eine Kopie machen und an einen Verlag schicken würde. Sie hatte ihm einfach nur ein Geschenk machen wollen. Josh war genau wie sie ein Fan von Bilderromanen. Der hier war allerdings nicht zur Veröffentlichung gedacht gewesen.
Tenley hatte schon immer ein widersprüchliches Verhältnis zu ihren künstlerischen Talenten gehabt. Es wäre doch nur folgerichtig gewesen, selbst als Künstlerin Karriere machen zu wollen. Tenley jedoch kämpfte dagegen an. Sie und ihr Bruder hatten immer davon geredet, eines Tages ihr eigenes Ding zu machen, Door County zu verlassen und sich in einer Großstadt Arbeit zu suchen. Sie hatte Schauspielerin werden wollen und Tommy Architekt.
Nach dem Bootsunfall hatte Tenley jedoch ihre Träume aufgegeben. Ihre Eltern waren vor Trauer fast durchgedreht und hatten sich schließlich scheiden lassen. Man hatte darum gestritten, wo Tenley leben sollte, und am Ende war beschlossen worden, dass sie in Door County bei ihren Großeltern bleiben sollte, während ihre Eltern an entgegengesetzte Küsten geflohen waren.
Sie spornten Tenley immer wieder an, als Malerin oder Bildhauerin mehr aus ihrem Talent zu machen. Doch als Künstlerin, die eigene Werke veröffentlichte, wäre sie noch verletzlicher, als sie sich jetzt schon fühlte. Es gab so viele Arten, verletzt zu werden, und so viele Erwartungen, die nie erfüllt werden konnten. Nachdem Tenley in all den Jahren ein einziges Mal etwas niedergeschrieben hatte, führte das Schicksal ausgerechnet diesen Mann zu ihr? Was sollte das bedeuten?
„Das ist interessant“, murmelte sie. „Aber ich glaube, da treibt jemand sein Spiel mit dir. T. J. Marshall malt Landschaften. Das ist nicht von ihm.“
„Du kennst seine Arbeit?“
„Ja. Alle kennen seine Arbeit. Er hat in der Stadt eine Galerie. Vielleicht meinst du einen anderen T. J. Marshall.“
„Wie viele Personen mit diesen Initialen gibt es denn in Sawyer Bay?“, fragte Alex.
Zwei, dachte Tenley. Thomas James und Tenley Jacinda. „Nur eine“, log sie.
„Und du kennst ihn? Dann kannst du mich ihm vorstellen. Erzähl mir von ihm. Wie alt ist er? Was für einen Background hat er? Hat er früher schon kommerzielle Illustrationen gemacht?“
Was sollte sie ihm antworten? Dass es Tenley Jacinda Marshall war, nach der er suchte? Dass sie sechsundzwanzig Jahre alt war, keinen Abschluss in Kunst oder Design aufzuweisen und ihr bisheriges Leben in Door County verbracht hatte? Und dass sie nie vorgehabt hatte, jemand anderem außer Josh Barton ihre Story vorzulegen?
„Ich weiß, das wird sich verkaufen. Es ist genau das, wonach der Markt jetzt verlangt“, fuhr Alex fort. „Eine Protagonistin, eine dichte Story mit moralischen Konflikten und
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