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Tiger Eye

Titel: Tiger Eye Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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Dela. Das Einzige, was den Fluch brechen kann, und damit das Band zwischen Hari und dem Magier, ist eine andere Liebesgabe. Liebe, die der Dunkelheit entgegenwirkt.«
    »Ein Leben für ein Leben«, murmelte Dela und sank in ihr Bewusstsein zurück. Sie spürte, wie die Welt um sie herum plötzlich Stillstand.
    »Verstehst du?«, drängte Long Nü. »Verstehst du diesen Preis tatsächlich, Dela? Ein Leben für ein Leben. Das musst du zahlen.«
    Dela verstand. Und nickte.
    *
    Der Magier litt grauenvolle Schmerzen, seine Augen waren vor Furcht und Wut weit aufgerissen. Trotzdem griff er weiter an. Immer noch setzte er sein Messer gegen Hari ein, ließ es hinabzucken...
    Hari lachte, wich dem überstürzten Hieb elegant aus und schickte ihn mit einem gut getimten Tritt gegen seine Kniekehlen zu Boden. Ohne die Hilfe seiner Macht war der Magier im Kampf eher harmlos. Er prallte auf den Boden und rang nach Luft.
    Hari war sofort über ihm, schnappte nach dem Gelenk der Hand, die das Messer hielt, nahm die Waffe und rammte den Dolch durch die andere Hand des Magiers. Die Klinge durchtrennte Fleisch, zertrümmerte Knochen und nagelte den Mann am Boden fest.
    Der Magier heulte und bog seinen Rücken vom Boden hoch. Hari setzte sich auf ihn und fuhr ihm mit seinen Krallen über die Kehle...
    »Jetzt!«, keuchte Dela und warf einen letzten Blick auf Hari, der über dem Magier hockte.
    Long Nü legte beide Hände auf Delas Herz. Die Farben des Sonnenuntergangs leuchteten auf Delas Netzhaut, und sie dachte... dachte...
    *
    Der Magier hatte keine letzten Worte zu sprechen. Aber in seinen dunklen, fast schwarzen Augen entstand eine Geschichte, und Hari fragte sich - einen winzigen Moment lang - was wohl wäre, wenn der Magier ein guter Mensch gewesen wäre. Was, wenn?
    Haris Schwester würde noch leben, ihr Kind hätte das Licht der Welt erblickt. Ihm selbst wären zweitausend Jahre Sklaverei erspart geblieben. Er hätte so viel Schmerz nicht erlebt. Und er hätte Dela niemals gefunden.
    »Danke«, flüsterte Hari. »Dafür, wenigstens.«
    Der Magier riss die Augen auf und wollte etwas fragen.
    Im selben Augenblick zerfetzte Hari ihm die Kehle...
    *
    ...Ich liebe dich, Hari. Ich liebe dich...
    *
    ... und beugte sich von dem spritzenden Blut zurück, hörte, wie der Magier ausatmete, sah, wie seine Augen einmal aufblitzten und dann trübe und leer wurden.
    Hari fühlte sich seltsam, auf eine merkwürdige Art und Weise
    beinahe wie beraubt, als er sich erhob. Blut tropfte von seinen Krallen.
    Er starrte auf den Leichnam des Magiers, bis ein leises Weinen seine Aufmerksamkeit erregte. Hari drehte sich um und sah die Tochter des Magiers, die sich zu einem Ball zusammengekauert hatte und der die Tränen über die Wangen liefen. Erst dachte er, sie trauere über den Tod ihres Vaters, dann meinte er, es wären Tränen der Erleichterung. Doch als er näher kam, bemerkte er, dass sie Dela ansah, die still und regungslos auf dem Boden lag.
    »Delilah?« Hari rief ihren Namen, aber sie rührte sich nicht. Long Nü sah ihn mit einem Blick an, so kalt und ernst wie ein winterlicher Fluss.
    »Dein Fluch ist gebrochen, Hari«, sagte sie. »Ein Leben für ein Leben.«
    Er starrte sie an, verständnislos zunächst, aber als er in Delas blasses Gesicht sah, auf ihre reglose Brust, die kein Atemzug hob und senkte, begriff er und sank auf die Knie. Er kroch an Delas Seite, streichelte ihr Gesicht, legte sein Ohr auf ihre Brust.
    Nichts.
    »Nein«, stieß er hervor. »Nein. Nicht jetzt. Bitte, Delilah!«
    »Es war ihre Entscheidung«, sagte Long Nü. »Du warst mit einem Bann an den Magier gefesselt. Hätte sie sich nicht geopfert, dann wärst du im selben Augenblick gestorben wie der Magier.«
    »Ich hätte den Tod vorgezogen!« Hari griff über Delas Leichnam und packte Long Nü an der Kehle. »Du bist dafür verantwortlich, nicht wahr? Du hast sie umgebracht!«
    »Um dich zu retten! Um den Kreis zu brechen. Es gibt für alles einen Preis, Hari. Für alles!«
    »Und welcher Preis bringt sie mir zurück?« Er zog Long Nü an sich heran. »Welchen Preis muss ich zahlen?«
    »Ein Stück von deinem Herzen«, flüsterte sie erstickt. »Ein Stück von deinem Herzen in der Gestalt deiner Haut.«
    »Dann nimm es.« Er ließ sie los und breitete die Arme aus. »Gib es ihr. Sie ist das Herz, das ich brauche.«
    »Wie du willst«, stieß Long Nü nach einer schrecklichen Sekunde des Schweigens hervor. »Dann küss sie, Hari. Gib Dela den Atem des Lebens

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