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Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Titel: Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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nicht hin!“
    Doch Anna konnte den Blick nicht abwenden. Wie hypnotisiert beobachtete sie Christopher dabei, wie er das Band zerschnitt, den groben Stoff aufschlug und den abgeschlagenen Kopf Jiaos freigab.
    Selbst Christopher zuckte bei dem Anblick zurück.
    Anna würgte trocken.
    Der blutverschmierte Schädel ähnelte nur noch entfernt der freundlichen Chinesin mit dem süßen Lächeln. Ihre Augen, erstarrt im Schock, waren seelenlose Löcher, ihre Miene eingefroren in Schmerz und Todesfurcht.
    Anna presste ihre Lider zusammen, versuchte, sich die lebendige, fröhliche Jiao in Erinnerung zu rufen, die mit Appetit und voller Vorfreude in das Hefeteigbrötchen biss. Die nach Jasmin und Sandelholz duftete und warme Hände, samtig wie Blütenblätter, besaß. Die staunend Annas dichtes rotes Haar berührte und mit hingebungsvoller Andacht bürstete.
    Dicke Tränen quollen aus Annas Augenwinkeln. Angst und Zorn und Kälte tobten in ihr, und in diesem Moment hätte sie alles darum gegeben, aus diesem Alptraum zu erwachen und sich in ihrem Elternhaus wiederzufinden.
    Das Weinen und Wimmern der Konkubinen drang an ihre Ohren und zwang sie, sich der Wirklichkeit zu stellen.
    Chun nahm ihre Pipa und verschwand. He Xien und Lian lagen sich in den Armen und schluchzten. Als sie sahen, dass Anna zu ihnen blickte, eilten sie an ihre Seite und ließen sich neben ihr auf den Boden sinken. Sie umarmten einander und weinten gemeinsam.
    Anna sah Christopher über die Köpfe der Frauen hinweg an. Sein Gesicht wirkte wie die Miene eines der Steinlöwen, die im Haus verstreut herumstanden.
    „Was passiert jetzt, Kit?“, fragte Anna.
    Und sie wollte damit eigentlich fragen: Wer von ihnen würde die Nächste sein?
    Wen kämen die Brüder des Lotus als Nächstes holen? Christophers Herz setzte einen Schlag lang aus. Um ein Haar hätte er Annas Kopf aus dem Jutestoff ausgepackt. Die Eiseskälte, die ihn von den Zehen bis hinauf zu seiner Kopfhaut überrollte, ließ ihn äußerlich erstarren.
    Mit Geld konnte er sich eine Frau kaufen, aber keine Geliebte. Sex, aber keine Liebe.
    Er würde Anna verlieren. Wenn nicht durch die Hand der Bruderschaft, dann wegen seiner Uneinsichtigkeit. Anna würde ihn verlassen, das spürte er.
    Er musste wählen. Anna oder die Heimat seines Herzens.
    Und in der Tiefe seiner Seele wusste er, dass er seine Entscheidung längst getroffen hatte.
     

justify
    Kapitel 14
     
    Siehst du, es geht, dann geh voran.
    Weißt du, es geht nicht, geh zurück.
    Aus China
     
    Aus Sorge um die Sicherheit der Frauen befahl Christopher ihnen, gemeinsam in einem Raum zu nächtigen. Er selbst, die Diener und Leibwächter wechselten sich mit der Überwachung des Hauses ab.
    Christopher traute den Brüdern des Lotus zu, ihn hier in seinem Anwesen zu überfallen. Er hatte sie verärgert, war hart geblieben, wo er hätte nachgeben sollen. Er war zu sehr Brite gewesen, um zu erkennen, dass die Zeit der Unnachgiebigkeit vorüber war.
    Christopher traf im Geheimen Vorbereitungen, falls die Bruderschaft auf Blutvergießen aus war und Christopher mit Anna fliehen musste.
    Doch die kommenden Nächte blieben ruhig. Dennoch heuerte Christopher zusätzliche Wachleute an.
     
    Anna erwachte, ohne zu wissen, was genau sie geweckt hatte. Eine Weile verharrte sie, lauschte und richtete sich auf, um nach dem Rechten zu sehen. Die augenblickliche Schlafsituation erinnerte sie an ihre Zeit im Mädchenpensionat.
    Sie entdeckte, dass Chuns Bett verlassen war.
    Anna überlegte einen Moment und hörte vor dem Fenster einen Vogelruf. Irritiert erhob sie sich, konnte aber nichts erkennen, als sie hinaussah.
    Sie schlich sich aus dem Schlafgemach. Es gab keine Gefahr im Innern des Hauses. Vor den Zugängen standen Wachleute, erfahrene Krieger, wie ihr Christopher erklärt hatte, und im Anwesen selbst patrouillierten die Leibwächter. Sie fühlte sich sicher, als sie den Gang hinuntertappte auf der Suche nach Chun.
    Anna lief die Galerie entlang, als sie Chun am Fußende der Treppe entdeckte. Die Chinesin bewegte sich vorsichtig und sah sich verstohlen um.
    Neugierig geworden, folgte Anna ihr heimlich.
    Chun schlich zielsicher auf die Seitentür zu.
    Die Vorahnung ließ Annas Herz wie einen Vorschlaghammer gegen ihren Brustkorb schlagen. Sie schluckte trocken und vergrub ihre Fäuste in den Falten ihres Nachtgewandes. „Nein!“ Anna stürzte aus ihrem Versteck, flog förmlich die Treppen hinunter, um Chun zurückzuhalten, doch die Chinesin starrte Anna

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