Tigermilch
neben den Arkaden an der Wilmersdorfer. Um den Planet herum stehen kleinere Planeten, alle aus Beton. Im Sommer, wenn es heiß ist, schießt aus den kleinen Planeten manchmal gelbes schäumendes Wasser heraus, meist liegt der Planet aber einfach nur trocken da. Keine Ahnung, wer sich das ausgedacht hat, den Planet dort hinzubauen. Soll vielleicht Kunst sein, sieht aber richtig scheiße aus. Ich glaube, die wollen eigentlich, dass sich Mütter mit Kindern an den Planet setzen und solche Sachen machen wie Eis essen und planschen. Am Planet sieht man aber nie Mütter mit Kindern, nur Alkis und Irre, und uns.
Nico sagt, die Stadt hat den Planet gar nicht für die Mütter gebaut, sondern für uns, denn nach der Schule und am Wochenende treffen wir uns dort immer alle. Neben dem Planet steht eine Telefonzelle. Sie ist ein gelber Dinosaurier, denn ich hab noch nie jemanden hineingehen sehen, außer Nico, wenn er sich einen durchzieht. Trotzdem steht die Telefonzelle da genau richtig. Sie ist von oben bis unten vollgemalt. Wir hinterlassen uns darauf Nachrichten, wann wir uns wo treffen, wo welche Konzerte oder Partys sind. Das ist vielleicht altmodisch, aber billiger, als sich anzurufen oder Nachrichten rumzuverschicken, denn auf die Telefonzelle schaut jeder drauf, der zum Planet kommt. Praktischerweise macht die Stadt die Telefonzelle immer sauber, wenn sie komplett vollgemalt ist.
Am Planet sitzen Kathi und Laura. Kathi ist immer noch mit der Rasierklinge an Lauras Pony dran, genau wie heute in der Schule, in der Zwanzigminutenpause bei den Fahrradkellern, wo wir immer rauchen, da hat Kathi auch schon an Lauras Haaren rumgemacht. Ganz gerade soll der Pony werden, gerade, aber von links nach rechts schräg, und gerade aber schräg ist zusammen nicht so einfach.
Was geht denn heute noch außer Haareschneiden, fragt Jameelah.
Bahnparty, glaube ich, sagt Kathi, Nico war gerade hier und hat so was gesagt.
Wo ist der überhaupt, frage ich.
An der Unterführung. Habt ihr was zu trinken?
Jameelah holt die Tigermilchflasche und die Rumcremeriesen aus ihrem Rucksack. Neben der Telefonzelle steht der Viovic. Der Viovic trägt immer die gleichen Klamotten, immer komplett in Schwarz, und die gleiche Frisur, schwarz gefärbt und bis zum Kinn, und wenn es regnet, den gleichen schwarzen Regenschirm, deswegen nennt man ihn auch einfach nur den Viovic, so als wären sie nur eine Person, dabei stimmt das nicht, sie sind zu zweit, sie sind Zwillinge. Nur auf der Bühne kann man sie unterscheiden, Viktoria spielt Bass und Violetta Gitarre. Die Band heißt auch Viovic und ist schlimm, das sagen alle, nicht nur ich. Ich verstehe gar nicht, warum, sie haben einen richtigen Proberaum im Keller von ihren Eltern, mit Eierkartons an den Wänden, sie proben fast jeden Tag, weil sie bei sich auf der Privatschule auch noch einen eigenen Musikraum haben, aber vielleicht proben sie ja auch gar nicht so viel, wie sie immer behaupten.
Nini, ruft Viktoria, hast du einen Edding?
Ich schüttle den Kopf.
Ich aber, sagt Kathi und wirft ihren Edding rüber.
Violetta kritzelt irgendwas an die Telefonzelle.
Kommt ihr mit auf die Bahnparty?
Victoria und Violetta schütteln den Kopf.
Wir gehen ins Rotor, sagen sie.
Ich frage mich, ob die das üben, alles so gleichzeitig zu machen, ist schon fast gruselig.
Da hinten kommt Nadja, sagt Laura mit vollem Mund und zeigt in Richtung S-Bahnhof.
Die sieht ja total fertig aus, flüstert Kathi.
Hat sie doch heute in der Schule auch schon, sagt Jameelah.
Hey, habt ihr Tobi gesehen, fragt Nadja, als sie sich zu uns stellt.
Ist alles gut bei dir, fragt Kathi.
Hab meine Tage. Wo ist Tobi?
Der ist mit den anderen zur Unterführung.
Ich schaue in die Rumcremeriesentüte, nur noch einer drin.
Der ist für Nico, sage ich.
Wir rennen am U-Bahnhof vorbei über den Stutti in Richtung S-Bahnhof. Vor der Unterführung hocken Apollo und Aslagon, sieht ganz so aus, als würde Apollo mit seinem Holzschwert irgendetwas auf den Boden zeichnen. Sein Wikingerhelm liegt achtlos im Dreck. Apollo glaubt, er ist ein Wikinger, während Aslagon fest davon überzeugt ist, dass die Menschheit sich in Flügelwesen und Reptilienwesen aufteilt. Ich bin ein Flügelwesen und Jameelah auch, sagt Aslagon, er aber ist ein Reptilienwesen, genauso wie die Königsfamilie in Saudi-Arabien. Apollo und Aslagon sind immer nur im Sommer bei uns am Planet, im Winter sitzen sie in der Auguste-Viktoria-Klinik.
Was soll das denn sein, fragt
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