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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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gesprochen?«
    »Ja. Wir müssen dort sein, bevor die Journalisten Wind davon bekommen.«
    Morgado setzte sich in den Wagen der Kommission für die Rechte der Kinder. »Was war das für eine Nachricht?«, fragte er, während Doktor Esparza das Gaspedal durchtrat.
    »Sie haben einen von ihnen gefasst.«
    »Von den Entführern?«
    »Ja.«
    »Und wer ist es? Jemand mit Vorstrafen?«
    Doktor Esparza fuhr über eine rote Ampel und genoss wie ein Teenager die Flüche der anderen Fahrer, die beinahe mit dem Geländewagen zusammengestoßen waren. »Nein. Eine Mixtekin.«
    Morgado fühlte sich schlecht. Er dachte an die Lynchjustiz in Oaxaca, an den Zapatisten-Aufstand in Chiapas. Und John Lennons Worte kamen ihm in den Sinn: Woman is the nigger of the world. »Ach, soll mich doch der Teufel holen!«, rief er wütend aus.
    »Das wird er.«

9
     
    Die Frau ging nervös mit festen Schritten durch den großen Wartesaal des Krankenhauses. In dem dunklen Seidenkostüm erweckte sie den Eindruck von eiserner Selbstbeherrschung und höchster Anspannung. Ein älterer, etwa fünfzigjähriger Mann beobachtete besorgt, wie sie auf und ab ging. Manchmal blätterte er zerstreut in seinem Exemplar der Los Angeles Times. Hin und wieder kamen auch ein Arzt und eine Schwester in den Wartesaal und versuchten die beiden mit ein paar Worten zu beruhigen. In diesen Momenten schwiegen beide, der Mann und die Frau, und hörten sich erwartungsvoll den Bericht an.
    »Wie steht es?«, fragte der Mann den Arzt, der ihm in diesem Moment zulächelte. »Sagen Sies mir: Wie geht es ihm?«
    »Keine Sorge. Ihrem Kind geht es gut. Die Niere ist in hervorragendem Zustand. Sie können Ihren Sohn in wenigen Minuten sehen. Warten Sie hier.«
    Der Mann und die Frau umarmten sich.
    »Endlich wissen wir«, sagte der Mann mit strahlendem Gesicht, »dass unser Geld richtig angelegt war.«
    »Unser Kind lebt, Frank«, flüsterte seine Frau. »Wir müssen es weitererzählen. Sie müssen alle davon erfahren.«
    Der Mann dachte an die rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns, an die Möglichkeit, dass jemand herausbekommen könnte, wie in weniger als einer Woche die wie für seinen kranken Sohn gemachte gesunde Niere in der Organbank der Privatklinik aufgetaucht war. Er sah sich die Steuererklärung von diesem Jahr machen. Er musste Mittel und Wege finden, um zu erklären, wie fünfzigtausend Dollar spurlos verschwinden konnten. Als er in dieser Grauzone angekommen war, hörte er schnell mit dem Nachdenken auf.
    Der Mann liebkoste seine Frau und murmelte: »Später, Darling, später.«
    Seine Frau hingegen wusste, was sie zu tun hatte: ihre Kusine Leonore in Pasadena anrufen, deren Tochter eine Milztransplantation benötigte, sonst würde sie innerhalb der nächsten sechs Monate sterben. Plötzlich wurde ihr Körper ohne erkennbaren Grund von einem Schauer erfasst. Der Mann glaubte, es sei die Anspannung, die aus ihrem Körper wich. Sie war jedoch eher aufgewühlt. Zum ersten Mal fragte sie sich: Woher kam die Niere? Wer hat sie meinem Sohn gegeben? Dann sprach sie ihre Bedenken laut aus. »Sie kam von einem amerikanischen Jungen, oder?«
    »Natürlich, Darling.«
    Und dann musste der Mann an die Kubanerin mit dem rosafarbenen Haar denken. Die ihm der Freund eines Freundes empfohlen hatte. Und die ihm erst vor einem Monat nüchtern versichert hatte: »Ich kriege das Geld. Sie die Niere direkt in ein diskretes Krankenhaus Ihrer Wahl. Die Regeln sind einfach. Und keine Fragen. Verstehen Sie mich?«
    Die Frau sah ihn wieder an. In ihrem Blick lag große Zärtlichkeit. »Du bist ein guter Ehemann, Frank.«
    Er umarmte sie noch fester. »Und du eine gute Frau, Susan.« Und beiden war in dem Moment klar, dass etwas falsch war, dass beide aus einem noch unbekannten Grund logen, der ihnen früher oder später enthüllt werden und ihnen großen Schmerz bereiten würde.
     
10
     
    Comandante Ramos wartete in der Pathologie, einem weißen Gebäude in der Nähe der Einrichtungen der Bundespolizei und des Innenministeriums. Ein Polizist brachte Doktor Esparza und Morgado dorthin. Zum Glück für den Verteidiger der Menschenrechte mussten sie nicht direkt in das Leichenschauhaus, sondern in ein angrenzendes Labor, wo Comandante Ramos und ein glatzköpfiger Arzt vor Röntgenaufnahmen an einer Lichttafel und vor einem Stapel medizinischer Akten saßen.
    »Schön, Sie zu sehen«, begrüßte sie der Polizist.
    »Soll ich nicht Pech bringen?«, scherzte Morgado.
    »Mir nicht. Ich möchte,

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