Tijuana Blues
Kontaktlinsen.«
Genau in dem Moment erschienen auf dem Computer die Worte, aus denen der Schriftzug bestand: »Antonio Castañeda: Für ein freies, souveränes Mexiko. IV. Distrikt. PPS.«
»Da hast du dein Detail«, sagte Checo.
»Die erste Spur«, erwiderte Morgado.
6
Kaum waren sie die Treppen des Flugzeugs der Mexicana hinuntergestiegen, kam auch schon Hilda Romero, eine der Helferinnen des Komitees für die Rechte der Kinder, auf sie zu, um ihnen das Gepäck abzunehmen. Weder Guadalupe Esparza noch Morgado hatten Zeit, mit ihr zu sprechen, weil eine Gruppe Männer in Kampfanzügen und Sonnenbrillen sie umstellten, noch bevor sie den Flughafen verlassen hatten.
»Willkommen in Mexicali, Herr Rechtsanwalt. Ich bin Comandante Absalón Ramos von der Bundespolizei.«
Morgado versuchte, den Sprecher der Gruppe ausfindig zu machen. »Kenne ich Sie?«, fragte er.
Der Angesprochene nahm die Brille ab, als wolle er zeigen, dass er unbewaffnet war. »Ich hoffe nicht. Es gibt hier eine Legende, nach der die Polizisten, die mit Ihnen zu tun haben, vom chahuistle, vom bösen Blick, getroffen werden.«
»Seien Sie nicht abergläubisch, Comandante.«
»In meinem Beruf muss man allen Heiligen huldigen.«
»Und den Jungfrauen, nicht wahr?«, mischte Doktor Esparza sich ungefragt ein.
»Ich kann hier keine entdecken«, lautete die trockene Antwort des Polizisten.
»Was wollen Sie von uns?«, fragte Morgado angesichts des Polizeiaufmarsches.
»Genau das wollte ich auch fragen«, sagte Doktor Esparza. »Wir haben einen langen Arbeitstag vor uns.«
»Wir sind gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass wir dank Ihrer Information den Ort identifizieren konnten, an dem der Mord passiert ist. Es ist eine offensichtlich verlassene Ranch. Wir haben sie umstellt, aber wir sind noch nicht hineingegangen, weil wir auf Sie warten wollten.«
»Wie höflich von Ihnen«, sagte Doktor Esparza frech.
»Wollen Sie uns begleiten?«, fragte Comandante Ramos.
»Ja. Aber wir folgen Ihnen in unserem Wagen«, sagte Hilda Romero, die mit dem Gepäck aufgetaucht war. Alle schauten sie an. Die Polizisten voller Wut, Morgado und Guadalupe Esparza erleichtert.
»Wie auch immer. Die Entführer warten nicht.«
Die Fahrt ging in den Süden der Ebene von Mexicali, weniger als einen Kilometer von der Straße entfernt, die zum Hafen von San Felipe führt. Die Ranch war ein Haus aus Lehmziegeln mit fünf Zimmern, an den Seiten und auf der Rückseite von einer anderthalb Meter hohen Mauer umgeben. Der vordere Teil des Gebäudes war durch einen Stacheldrahtzaun geschützt. Der Hügel lag auf der rechten Seite, und der Schriftzug war deutlich zu erkennen.
»Wer ist Antonio Castañeda?«, fragte Morgado.
»Ein Sozialist und dank seiner Buchläden Multimillionär. Ein guter Mensch und Freund«, informierte ihn Hilda Romero.
»Er muss aus dem Norden sein«, dachte Morgado laut nach. »Ein Widerspruch in sich, mit Cowboyhut und Stiefeln vermute ich.«
»Keine Scherze«, tadelte ihn Doktor Esparza. »Wir befinden uns an dem Ort, an dem ein Verbrechen begangen wurde. Und das Opfer war ein Freund von uns. Ein guter Freund.«
»Verzeihen Sie«, sagte Morgado. »Ich habe es noch nie verstanden, mich gegenüber dem Tod, gegenüber den Toten, angemessen zu verhalten.«
Zwei Polizeitrupps drangen gleichzeitig durch ein rückseitiges Fenster und die Vordertür in die Ranch ein. Ein paar Sekunden verstrichen, und dann kamen alle aus der vorderen Tür wieder heraus und hielten sich die Hand vor den Mund. Zwei Polizisten fielen auf die Knie und mussten sich übergeben.
Comandante Ramos hielt es nicht länger aus und ging zwischen seinen Männern hindurch in das Haus. Er kam wieder heraus. Ohne jede Scham holte er ein Taschentuch aus seiner Jacke, öffnete den Reißverschluss an seiner Hose und urinierte zum Schrecken der Anwesenden darauf. Dann bedeckte er sofort Nase und Mund damit und ging wieder hinein.
Die Polizisten sahen sich an, und dann taten sie unter Gelächter und unflätigen Bemerkungen dasselbe. Comandante Ramos war Morgado sympathisch, vor allem weil er es geschafft hatte, Doktor Esparza und der Helferin Hilda die Sprache zu verschlagen. Eine theatralisch wirkende, aber spontane Aktion. Unverzüglich nahm er sein Taschentuch und wiederholte die Operation. Aber seine gute Laune verging ihm schlagartig, als er in das Haus kam und die vielen Fliegen und das Blut sah.
Drei Stunden später in der Badewanne seines Hotels war Morgado klar, dass
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