Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
Vom Netzwerk:
immer um fünf Uhr morgens ins Bett gehe. Sobald ich den ersten Hahn krähen höre, lege ich mich aufs Ohr.«
    »Red keinen Blödsinn! In Mexico City gibt es keine Hähne.«
    Checo lachte leise. Aus einer Schublade seines Schreibtischs holte er eine selbstgedrehte Zigarette. »Hähne nicht, aber für was hältst du das?«, fragte er.
    Morgado fühlte sich wie in den alten Zeiten an der UNAM, als alle in dem heruntergekommenen Institut die Lieder von John Lennon sangen: Imagine, there’s no countries. It isn’t hard to do. Nothing to kill or die for. And no religion too.
    »Du hast schon ein richtiges Yuppiegesicht«, tadelte ihn Checo, der den Joint angezündet hatte und ihn wie eine zwischen seinen Fingern gefangene Libelle ansah.
    »Wehmütige Erinnerungen, Kumpel, wehmütige Erinnerungen.«
    Checo legte den Joint auf den Metallaschenbecher und nahm die Kassette, die Morgado ihm gebracht hatte. »Wegen diesem Mist weckst du mich auf?«
    »Wegen diesem Mist wurde ein Mann umgebracht.«
    »War wohl ein Student der Filmwissenschaften«, überlegte Checo Ortiz.
    »Er wollte Beweise über eine Entführung sammeln, und dabei hat man ihn getötet.«
    Checo sah die Kassette mit mehr Respekt an. »Und warum bringst du sie zu mir?«
    »Damit du mir mit all den Maschinen und Computern, für die du dein Geld ausgibst, ein paar Szenen deutlicher machst.«
    »Verstehe. Du gehörst zu denen, die Blade Runner gesehen haben und den Film glauben.«
    »Harrison Ford war der Detektiv, oder?«
    »Und in einer Szene legte er ein Video in seinen Computer ein und entdeckte in der Spiegelung einer Spiegelung das Bild eines der flüchtigen Androiden. Und jetzt willst du, dass ich dasselbe mache.«
    »Der Joint muss es in sich haben. Du hast selten so viele zutreffende Dinge auf einmal gesagt.«
    Checo Ortiz erhob sich vom Sofa und legte die Kassette in den mit seinem hochauflösenden Bildschirm verbundenen Player. Erst da sagte er: »Du müsstest mich erst mal unter der Wirkung von Peyotl erleben.«
    Dann vertiefte er sich in die chaotischen Bilder des Videos von Doktor Fidel Chacón. Morgado setzte sich neben ihn und sah sich die verworrenen Szenen ebenfalls noch einmal an. Sie schauten sich das Ganze, ohne ein Wort zu wechseln, insgesamt dreimal an und machten sich Notizen.
    »Jetzt gehen wir abschnittweise vor«, sagte Checo. »Wir werden jetzt die Zeit und die Räume skizzieren. Ich habe sieben Schnitte entdeckt. So wie der Doc vorgegangen ist, hat er ein paar Mal den Aufnahmeknopf nicht gedrückt. Ich schätze, die reale Zeit zwischen der ersten und der letzten Aufnahme dürfte vierzig Minuten nicht überschreiten.«
    Checo verband seinen Computer mit dem Videoplayer und markierte bestimmte Szenen mit der Maus. Eine Stunde später hatten sie bereits siebzehn verschiedene markante Details herausgearbeitet und versuchten, sie zu situieren.
    »Wenn wir etwas Besonderes, Einzigartiges finden, das es uns erlauben würde, den Tatort zu identifizieren«, stöhnte Checo frustriert, »das würde ja schon reichen.«
    Morgado blinzelte. Ein Fetzen aus seinem Traum kam für einen Moment an die Oberfläche seines Bewusstseins. »Der Hügel! Zeig noch mal den Hügel!«
    Checo suchte in seinen Notizen. »Das ist die Szene fünfundzwanzig. Welchen Teil des Bildes?«
    »Seitlich oben. Schnell, sonst vergesse ich es.«
    »Hier hast du ihn. Man kann fast nichts erkennen. Nur die Umrisse. Es könnte irgendwo in der Umgebung von Mexicali sein.«
    Aber Morgado spürte intuitiv, was er suchte. »Weiter links. Da, wo so eine Art Glanz zu sehen ist.«
    »Das?«
    »Ja, ich glaube, ja.«
    »Ich werde es markieren und zehn zu drei vergrößern.«
    Das Bild wurde dreimal ganz körnig, bevor sich eine dunkle, schräge Linie im unteren Bereich zeigte sowie eine vorstehende Spitze, weiß und dunkelblau.
    »Siehst du das?«
    »Das ist ein Felsen, nicht? Die gibt es in deiner Heimat doch in Hülle und Fülle.«
    »Und ein Schriftzug. Siehst du ihn nicht?«
    »Ich brauche neue Kontaktlinsen, Morgado.«
    Aber Morgado ließ sich nicht ablenken. »Es ist ein Felsen mit politischer Propaganda. Ich kann nichts entziffern. Du?«
    Checo lachte. »Bin ich blöd? Wir vergeuden unsere Sehkraft umsonst. Dieser verdammte Computer kann diese Aufschrift ohne unsere Hilfe lesen. Warte einen Moment. Ich gebe den Befehl ein, dann haben wirs.«
    Es passierte nichts. Morgado schaute Checo fragend an. Der lächelte, als wäre das alles ein Spiel. »Wie sein Besitzer braucht der Computer

Weitere Kostenlose Bücher