Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
seine lange, gerade Nase hervorhoben.
Sie senkte den Blick und durchsuchte den Geist der »anderen« nach einem Hinweis auf diesen Mann. Als sie ihn erhielt, riß sie überrascht den Kopf hoch und gab sich alle Mühe, ihn nicht mit offenem Mund anzustarren. Er war ihr inzwischen näher gekommen, hatte seine Kiste geöffnet und zog nun verschiedene Metallgeräte heraus.
»Erst müssen wir dich untersuchen.« Ohne ihren Blick zu erwidern, rief er über die Schulter: »Keonkh! Du zeichnest unsere Befunde auf.« Einer der Jungen ließ sich auf dem Boden nieder, schlug die Beine übereinander und strich den Schurz darüber glatt, so daß eine Art Schreibfläche entstand. Der andere Junge füllte geschäftig Wasser in ein schwarzes Stempelkissen und zwirbelte die Haare eines Pinsels zu einer feinen Spitze.
»Wir sind bereit, Hemu neter Cheftu«, sagte der Junge namens Keonkh, der offenbar im Stimmbruch war.
»Sehr gut.« Cheftu schenkte dem Jungen einen aufmunternden Blick. »So, Batu«, wandte er sich an den anderen, »wie beginnen wir mit der Untersuchung?«
Der Junge trat vor und sah Chloe an, die schweigend auf ihrem Nachtlager saß. »Gesundheit, Wohlergehen und Leben, große Priesterin«, sagte er. Dann wandte er sich an Cheftu und antwortete: »Als erstes untersuchen wir ihre Farbe, dann die Ausscheidungen ihrer Nase, der Augen, Ohren, des Halses, Bauches, und der Glieder, wobei wir auf Schwellungen, Zittern, geplatzte Adern, Schweiß oder Steifheit achten.«
»Sehr gut.« Cheftu trat hinter Chloe und blickte über ihren Kopf hinweg. »Schildere mir ihre Farbe.« Der Junge betrachtete eingehend ihre Haut und errötete leicht, als sie seinen prüfenden Blick auffing.
»Bitte strecke die Arme vor, Herrin«, forderte er, und Chloe streckte die Hände weit von sich, während er sorgfältig jeden Zentimeter ihrer neuen, braunen Haut musterte. »Hemu neter«, erklärte er, »die Haut der Herrin ist makellos. Es sind keine Abschürfungen, keine Schwellungen, keine Ausdünstungen, keine Verfärbungen festzustellen.«
Cheftu kam wieder nach vorne und begutachtete sie vollkommen ausdruckslos, fast wie einen Ausstellungsgegenstand, was Chloe wahrscheinlich auch war. Fieberhaft schrieb Keonkh jedes Wort mit, das Cheftu und der Junge wechselten.
»Schicke das Mädchen Basha nach den morgendlichen Ausscheidungen der Herrin«, befahl Cheftu, und der Junge verschwand. Als er den schweren Vorhang anhob, hörte man für einen kurzen Moment vom Haupttempel her Musik.
»Versuche zu sprechen«, befahl er.
Die Geräusche, die sich ihrem Mund entrangen, klangen für alle Anwesenden wirr und schmerzlich.
» Haii. Das genügt einstweilen.« Er trat zurück, und sie senkte die Lider. »Hattest du irgendwelche Ausscheidungen, Herrin?« fragte er, während er mit warmen Fingern, unter denen ihr kühles Fleisch kribbelte, ihren Puls nahm.
Chloe schüttelte den Kopf.
Keonkh ging Wasser holen. Dann zog Cheftu Chloes Kopf nach vorne und nahm ihn zwischen beide Hände, um mit seinen langen Fingern unter ihrem sorgsam frisierten Haar herumzutasten. »Herrin, bist du gestürzt?«
Sie zog die Achseln hoch.
»Hast du von Trauben geträumt? Oder von Feigen?«
War er verrückt geworden? Was für eine abartige Frage war das? Dann ermahnte die »andere« sie, daß die Götter mit solchen Träumen vor einer nahenden Krankheit warnten. Sie schüttelte den Kopf. Keinerlei Obstträume.
Basha trat mit Batu ins Zimmer, in den Händen einen großen Topf. Chloe erkannte den Nachttopf wieder, auf den sie heute morgen getaumelt war. Cheftu hatte ihn auf den Boden gestellt, und kurz darauf kauerten Batu und er darüber und berieten sich leise über den Inhalt.
Der Arzt wandte sich wieder an sie, und Chloe spürte, wie ihr der Atem stockte. Das konnte doch nicht wahr sein. Das mußte ein Traum, eine Halluzination sein. Er war ihr vertraut, also war er offenbar jemand, den sie gern hatte und dem sie darum eine Rolle in ihrer ägyptischen Phantasie zugedacht hatte – so wie der Zauberer von Oz mit Dorothys Freunden und Feinden bevölkert war. Sie warf einen Blick auf seine Hände.
Sie waren makellos – die Hände eines Künstlers oder Gelehrten –, langfingrig mit geradegeschnittenen Nägeln; nicht grob, aber auch nicht weich. Hände zum Erschaffen und Heilen.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, weil beide Jungen an ihren Platz zurückkehrten: Keonkh schrieb wieder wie wild, und Batu assistierte Cheftu. Aus einem Alkoven neben der Tür
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