Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
sie merkte, daß alle Sklavinnen sie mit ausgesprochener Angst ansahen, versuchte Chloe klammheimlich, ihren Leib in diesem Tuch zu betrachten. Das Leinen war so dünn, daß man ohne weiteres hindurchsehen konnte. Sie wurde rot. Kein Wunder, daß sie so sorgfältig rasiert worden war.
Sie blickte auf die feingearbeiteten Sandalen, die man ihr hinhielt – und schluckte. Schuhgröße 41 zu haben war zu ihren Lebzeiten nichts Besonderes – sie kannte eine ganze Reihe von Frauen, die Größe 42 oder noch mehr trugen –, doch so wie alle auf ihre langen, schmalen Füße starrten, vermutete Chloe, daß sie für diese Menschen gigantisch wie die eines Soldaten waren. Eines Leibgardisten.
Unsicher lächelnd schob sie ihre langen Zehen in das Fußbett und packte den Riemen. Ihre Füße zwängten sich unter die Zehenriemen, quollen auf beiden Seiten heraus und hingen hinten über den Rand. Sie konnte sich glücklich schätzen, wenn sie es schaffte, in diesen Dingern zu laufen, ohne hinzufallen.
Sie watschelte an die Truhe, aus der Basha ihr Kleid gezogen hatte und klappte sie auf. Drinnen lag nichts außer weiteren hauchdünnen, durchsichtigen weißen Wickelkleidern. Sie sah Basha an; durch ihr Ein-Träger-Kleid konnte man jeden Zentimeter ihres jungen Körpers erkennen. Und Irit, ihre Sklavin, trug nur eine Perlenschnur um die Hüften.
Offenbar sollte sie in dieser Halluzination eine Exhibitionistin mit enormer Fußarztrechnung spielen.
Seufzend setzte sie sich an den Ankleidetisch und winkte Irit zu sich. Nachdem das Mädchen erst einmal den Blick von Chloes Riesenfüßen losgerissen hatte, malte es zum Schutz gegen die Sonne lange schwarze Bleiglanz-Schatten um Chloes Augen.
Sobald Chloes kinnlanges schwarzes Haar getrocknet war, flocht Irit es zu Zöpfen, deren Enden sie in regelmäßigen Abständen mit silbernen Bändern umwand. Sie faßte hinter sich nach einem kleinen Weidenkästchen, öffnete es und gab damit den Blick auf eine Schmuckkollektion frei, für die der Louvre ein Vermögen springen lassen würde. Alles war aus reinem Silber. Die »andere« mahnte sie, daß Hathors Priesterinnen niemals Gold trugen. Tapfer streckte Chloe die Hand nach einem Armreif und einem Ring aus.
»Würde meine Herrin einen Kragen wählen?« fragte Irit, ein wenig eingeschüchtert, wie Chloe fand. Die Auswahl war unglaublich. Sie entschied sich für einen filigranen Silberkragen mit emaillierten Lotospflanzen und Vögeln. Irit befestigte ihn um Chloes Hals und fügte unten noch einen bildschönen Falken-Brustschmuck an, der schwer unter Chloes notdürftig verdecktem Busen ruhte und unter dem ihre eigene Ankh-Kette verschwand. Chloe stand auf und versuchte, in dem polierten Bronzestück, das als Spiegel herhalten mußte, ihr Bild zu erkennen.
Auch das war unglaublich. Die Juwelen, die vielen Einzelheiten ihrer Kleidung, der schwache Myrrheduft in der Luft, der dissonante Singsang, der hin und wieder zu hören war … und jetzt das. Chloe sah sich nicht selbst. Ihr starrte ein Grabgemälde ins Gesicht. Mitsamt engem weißem Kleid, schwarz nachgemalten Augen und Brauen. Nur der Blick ihrer schräggeschnittenen grünen Augen wirkte vertraut. Chloe drehte sich um, denn sie hatte das Gefühl, daß sie beobachtet wurde. Der dunkeläugige Mann von gestern, Nesbek, wie die »andere« in ihrem Kopf soufflierte, trat auf sie zu.
Er war untersetzt und breit, offensichtlich schon älter und mit Gold überladen … mit Kragen, Armbändern, Armreifen und Ringen. Seine Augen waren klein und lagen tief in den Höhlen. Aus ihnen sprach eine Empfindung, die Chloe nicht zu lesen vermochte. Wie auf einen unausgesprochenen Befehl hin leerte sich das Zimmer.
»RaEmhetepet.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Ich bin sicher, du erinnerst dich an mich?« Er machte noch einen Schritt vorwärts, verschlang Chloes Leib mit Blicken und zog die Stirn in Falten, als er auf ihre Füße sah. »Es wäre zu schade, wenn ich dich an mich erinnern müßte …«
Sein Ton war zugleich neckisch und bedrohlich, deshalb machte Chloe einen unsicheren Schritt zurück.
Er lächelte und entblößte dabei strahlende Goldzähne.
»Ich muß auf mein Gut in Goshen reisen, aber sobald ich eine Apiru zur Räson gebracht habe, kehre ich zurück, um meine Braut zu holen.« Er sah sich kurz um und hob dann den Schurz. »Möchtest du mir jetzt schon etwas geben? Einen Beweis deiner Gunst , damit ich dich nicht vergesse?«
Chloe wandte den Blick ab, denn sie wollte gar
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