Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Zaubersprüche rezitiert hatte. Chloe war reglos auf der Seite liegengeblieben, den Kopf auf den Arm gebettet. Offenbar hatte ihre Besucherin nicht damit gerechnet, daß sie aufwachte, und als Chloe die ausgestoßenen Verwünschungen hörte, wollte sie auch gar nicht wach werden. Etwas von Rache für die Familie der anderen, damit das ka irgendeines Bruders endlich Ruhe fand. Alle gaben sich Mühe, ihre Erinnerungen wieder zu wecken; ihnen war nur nicht klar, daß sie die falschen Erinnerungen hatte. Was immer RaEmhetepet auch gewesen sein mochte, sie hatte sich mit ein paar echten Fieslingen eingelassen und balancierte am Rande einer großen Gefahr.
Cheftus Stimme riß sie aus ihren Gedankengängen: »… von deiner glücklichen Zukunft zu träumen.« Er setzte einen Alabasterkrug auf dem Tisch ab und wandte sich zum Gehen. Die Jungen sammelten ihre Gerätschaften ein. Chloe streckte die Hand aus und hielt ihn am Unterarm zurück.
Er fuhr herum, mit zornigen goldenen Augen und bitterer abweisender Stimme. »Laß mich in Frieden, RaEm. Ich bin an deinen Ränken und Spielen nicht mehr interessiert. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, wieso du nicht sprechen willst und mit welchem Zauber du deine Augenfarbe verwandelt hast, aber es kümmert mich auch nicht mehr. Die Vergangenheit liegt hinter uns – nur aufgrund deines Ranges bin ich hier. Nimm deine Krallen von mir.«
Noch während er die letzten wütenden Worte hinschleuderte, die RaEm offenkundig etwas gesagt hätten, spürte Chloe, wie etwas in ihm weich wurde, als er in ihre Augen sah.
Süße Isis, dachte Cheftu. Offenbar wußte RaEm nicht, was sie tun oder wohin sie sich wenden sollte. Obwohl er keine Anzeichen für eine physische Krankheit finden konnte, schien sie tatsächlich einen Teil ihres Gedächtnisses verloren zu haben. Falls das zutraf, war das ein schwerer Nachteil für sie. Sie schien nicht zu wissen, daß Hat und Hapuseneb ihr nachspionierten, daß sie herauszufinden versuchten, ob RaEm ihr Gelübde gebrochen hatte, und daß die beiden überlegten, wie sie sich Gewißheit verschaffen und diesen unwägbaren Faktor ausräumen konnten. Diesmal hing das Schwert über ihr , der so kühlen und berechnenden RaEm.
Doch Cheftu empfand weder einen Machtrausch noch den süßen Geschmack von Rache, als er die dünnen, angespannten Linien in ihrer Stirn und um ihre vollen Lippen sah. Hatte er ihr verziehen? Vergessen hatte er gewiß nicht.
Er packte die Hand in ihrem Schoß und drückte sie so fest, daß die Knöchel weiß hervortraten.
»RaEm«, sagte Cheftu plötzlich zu seiner eigenen Verwunderung. »Es gibt Menschen, die dich nicht verraten werden. Erzähle denen deine Geschichte. Vielleicht können sie dir helfen; wir leben in unsicheren Zeiten. Vergiß nicht, daß wir uns einst nahe waren, auch wenn wir einander während der letzten Jahre gehaßt haben. Um deiner Familie und meiner Wertschätzung für Makab willen verrate mir, nach wem ich schicken soll. Du kannst dich auf meine Verschwiegenheit verlassen.«
Sie sah nicht auf.
Cheftu richtete sich auf, wartete einen Moment und verwünschte sich dann für seine törichten Hoffnungen.
Nach einem knappen Abschied zog er sich mit den beiden W’er-Priestern zurück. Sie rührte sich nicht vom Fleck, doch Cheftu spürte ihren Blick in seinem Rücken, als er sich durch den kühlen dunklen Gang von ihr entfernte.
3. KAPITEL
Chloe schlich aus ihrem Zimmer. Es war dunkel, und sie wußte, daß Basha fort war. Einen festen weißen Umhang um sich wickelnd, trat sie vor ihre Tür; zum ersten Mal, seit sie in dieser Phantasiewelt erwacht war, war sie allein.
Drückender Myrrhegeruch lag in der Luft. Es war Amuns Lieblingsduft, deshalb hatte Pharao nach Punt ausgesandt und Myrrhebäume bringen lassen. Deren Duft zog ununterbrochen durch den Tempel.
Chloe brachte der stickige Geruch fast zum Würgen. Der geistigen Karte des Tempels folgend, die sie von der »anderen« erhalten hatte, eilte sie den Gang hinab. Bald müßte sie in einen der Hauptsäle gelangen.
So war es auch.
Chloe schlug das Herz bis in den Hals. Der Raum war vollkommen anders als alles, was sie sich je ausgemalt hatte. Kein Begriff in ihren beiden Wortschätzen vermochte die Pracht auszudrücken, die sie vor sich sah. Wie hypnotisiert blieb sie im flackernden Fackelschein stehen und starrte.
Sie befand sich in einer Säulenhalle. Jedoch nicht jener, die sie im zwanzigsten Jahrhundert besichtigt hatte. Diese Halle hier
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