Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
damit!«, schluchzte Dorothy. »Hör auf, uns zu quälen. Wir haben dir einmal vertraut, und das war ein furchtbarer Fehler. Warum tust du das?«
»Dieser Mann hat mir alles genommen!«, schrie Re becca, das Gesicht zu einer monströsen Maske des Zorns verzerrt. »Ich werde nicht ruhen, bis nichts mehr von ihm bleibt.«
Plötzlich erklang ein lautes Knacken im Zimmer. Erschrocken hob Rebecca die Hände und tastete nach ihrem Gesicht, doch es war zu spät. Die jugendlichen Hau tschichten lösten sich ab, fielen Stück für Stück zu Boden und ließen die pockennarbige, von Falten überzogene Ruine eines Gesichts zurück. Ihr Körper wurde runzlig und schrumpfte in sich zusammen, die hochgewachsene Gestalt des Teenagers wurde zu der einer grotesk alten Frau.
Entsetzt von diesem Anblick, barg Dorothy das Gesicht an Walters Schulter, doch gleichzeitig spürte sie einen Funken Erleichterung, denn sie wusste noch aus früheren Jahren, dass Rebecca, sobald ihre jugendliche Fassade verblasste, dorthin zurückkriechen musste, woher sie gekommen war. Diesmal jedoch zeigte sich auf ihrem Gesicht nicht die Spur einer Niederlage.
»Sieben Tage«, sagte sie, und ihr Mund verzerrte sich zu einem schaurigen Lächeln. »So lange muss ich ohne meinen physischen Körper ausharren – und so lange bin ich gezwungen, wie ein Geist zu leben. Das mag unangenehm sein, aber die Zeit wird im Nu vergehen.« Als sie sich vorbeugte, lag ein bösartiges Funkeln in ihren Augen. »Ich brauche nichts weiter zu tun, als sieben Tage in eurer Zeit zu bleiben, dann werde ich meine vollständige menschliche Gestalt und meine Sichtbarkeit in diesem Jahrhundert erlangt haben. Wisst ihr, was das bedeutet?« Ihre nun ältliche Stimme war hasserfüllt. »Es bedeutet, dass alle mich sehen können, nicht nur ihr beiden Dummköpfe, und wer mich ansieht, wird ein vollkommenes Mädchen von siebzehn Jahren erblicken. Es bedeutet, dass ich wieder über menschliche Kräfte verfüge – und über meine Macht als Hüterin der Zeit noch dazu. In sieben Tagen werde ich Michele selbst töten können. Einfach so.« Sie zog die Brauen zusammen. »Ihr habt die Wahl. Wollt ihr, dass eure Enkeltochter umgebracht wird? Oder soll sie lieber verschwinden, als hätte sie nie existiert? Ihr wisst, was getan werden muss, und ihr müsst euch schnell entscheiden. Wie gesagt – sieben Tage sind im Nu vergangen. Wir sehen uns wieder.«
Rebeccas Gestalt begann in der Luft zu flackern, ehe sie sich in einem Wirbelwind auflöste. Bestürzt klammerten sich Walter und Dorothy aneinander.
»Was sollen wir nur tun?«, flüsterte Dorothy.
Walter gab keine Antwort.
***
Michele Windsor träumte von einem antiken Flügel in einem vergoldeten Musikzimmer. Zuerst stand der Flügel verlassen da, doch kurz darauf erschien Philip, nahm hinter dem Instru ment Platz und legte stillvergnügt die Hände auf die Tasten. Mit einer Leidenschaft, die selbst bei den gefühllosesten Menschen für Gänsehaut sorgte, spielte er ein bluesartiges Ragtime-Stück an, wobei sich das Licht in seinem Siegelring fing. Es schien, als würde er beim Spielen eine Frage stellen und hoffen, die Antwort in der Musik zu finden.
Michele trat aus der dämmrigen Zimmerecke und fing Philips Blick auf. Sein Gesicht hellte sich auf, er schenkte ihr sein vertrautes, bedächtiges Lächeln und leitete dann zu der Melodie über, die er stets für sie spielte. Schuberts Serenade.
Michele setzte sich neben ihn, und als das Stück zu Ende war, nahm er ihre Hand und führte sie an seine Lippen.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass ich zu dir zurückfinden würde?«, flüsterte er.
Lächelnd neigte Michele ihm ihr Gesicht entgegen, ihre Haut kribbelte in der Erwartung seines Kusses. In diesem Augenblick gab es nur ihn auf dieser Welt.
***
Philip.
Als Michele aus ihrem Traum erwachte, spürte sie den Nachklang seiner Berührung noch immer im ganzen Körper. Sie fühlte kaltes Linoleum auf ihrer Haut und stellte verwirrt fest, dass sie irgendwie auf dem Fußboden gelandet war.
»Sie ist wach«, rief eine vertraute Stimme erleichtert aus. Michele brauchte einige Sekunden, aber dann erkannte sie, dass diese Stimme Caissie Hart gehörte, ihrer besten Freundin hier in New York. Starke Hände packten sie an den Schultern, und als sie den Blick hob, sah sie Ben Archer, einen der besten Sportler aus der elften Klasse, der ihr half, sich aufrecht hinzusetzen.
»Michele, kannst du uns hören?«, fragte er eindringlich.
»Was’s
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