Timeless - Schatten der Vergangenheit: Roman (German Edition)
versammelt. Jahrzehnte später, im Jahr 1880, während ich dieses Handbuch schreibe, ist die Gesellschaft auf 200 Mitglieder angewachsen. In Europa und dem Nahen Osten gibt es noch andere, ältere Vereinigungen wie die unsere; meistens agieren wir als Verbündete.
Ziel und Aufgabe der Zeitgesellschaft war es schon immer, andere Menschen zu finden, die den Schlüssel und das Zeitreise-Gen besitzen, damit wir unsere Gaben gemeinschaftlich einsetzen können und ein stärkeres Ganzes werden, um Amerikas Geschichte zu bewahren und seine Zukunft zu schützen.
– MILLICENT AUGUST,
PRÄSIDENTIN UND GRÜNDERIN DER ZEITGESELLSCHAFT
2
M ichele stand im Eingang des Speisesaals der Berkshire-Highschool, einer großzügigen Cafeteria mit runden weißen Tischen und dazu passenden Korbstühlen. Durch die Mitte des Saals verlief eine lange, gewundene Buffettheke, an der die Schüler Schlange standen, um sich ihr Mittagessen auszusuchen. Michele überflog die Reihen am Buffet, konnte aber keinen Philip Walker entdecken.
Der Rest des Vormittags war nur verschwommen an Michele vorübergezogen, vom Unterricht hatte sie kaum etwas mitbekommen. Obwohl sie Philip nicht mehr gesehen hatte, seit er sie vor dem Geschichtsraum hatte stehen lassen, spürte sie seine Gegenwart überall. Während ihr Englischlehrer die versteckten Botschaften in Shakespeares Der Sturm analysierte, war Michele nur körperlich anwesend, denn in ihrem benommenen Kopf lief wieder und wieder ihre kurze Begegnung mit Philip ab. Und während ihr Mathematiklehrer Analysis-Gleichungen an die Tafel schrieb, war Micheles Hirn damit beschäftigt, über ein viel komplexeres Problem nachzugrübeln: Wenn dieser Philip aus dem 21. Jahrhundert dieselbe Person war, mit der sie in der Vergangenheit zusammen gewesen war, wie konnte er sie dann nicht kennen? Und wenn er nicht derselbe Philip war, wie konnte er dann haargenau das gleiche Gesicht, den gleichen Körper, die gleiche Stimme und den gleichen Ring haben?
Beim Anstehen in der Essensschlange entdeckte sie ihn endlich. Er saß an dem Tisch, den die schöne Kaya Morgan mit ihrem hübschen, munteren Mädchentrio besetzte. Michele konnte den Blick nicht abwenden, als Kaya und ihre Freundinnen vor Philip schwatzten und kicherten. Ohne Zweifel wollte jede von ihnen als Erste ihren Anspruch auf den heißesten Neuzugang Manhattans geltend machen.
Obwohl sie erst kurze Zeit auf die Berkshire High ging, wusste Michele bereits, dass Kaya aus der Zwölften als der heißeste Fang galt, und sie konnte auch deutlich sehen, warum das so war. Kaya war halb Japanerin, halb Amerikanerin und stellte die anderen, gewöhnlicher aussehenden Mädchen der Berkshire High mit ihrer exotischen Schönheit in den Schatten. Mit ihrer Figur wäre sie ohne Weiteres als Victoria’s-Secrets -Model durchgegangen, außerdem war sie Kapitän der Mädchen-Leichtathletikmannschaft. Da ihre Mutter eine gefeierte moderne Künstlerin aus Japan und ihr Vater ein Nachfahre des legendären J. Pierpont Morgan höchstpersönlich war, bewegte sich Kaya sowohl in den vornehmen Kreisen des alten New Yorks als auch in den Künstlerzirkeln der Stadt. Michele hatte bis her nur ein paar Mal mit ihr gesprochen, und doch hatte sie Kaya auf Anhieb gemocht. Sie war nett und klug, nicht der Typ Mädchen, der sich auf seinem Aussehen und seinem Namen ausruht. Dementsprechend schwanden Micheles Hoffnungen, als sie beobachtete, wie Philip Kaya fasziniert anblickte. Wenn das ihre Konkurrenz war … Sie wollte gar nicht daran denken.
Trotzdem, rief sich Michele in Erinnerung, ist es ein Wunder, dass er hier ist. Auch wenn er sich aus irgendeinem Grund noch nicht an mich erinnert – er ist meinetwegen zurückgekommen, das weiß ich.
Als Philip ihren Blick quer durch den ganzen Speisesaal erwiderte, tat ihr Magen einen Sprung. Aber er sah genauso schnell wieder weg, als wäre sie einfach irgendein Mädchen. Michele wurde es eng um die Brust, langsam ging sie zu ihrem Tisch.
»Hey«, begrüßte Caissie sie, als sie an den Tisch kam. »Wie fühlst du dich?«
Michele stellte ihr Tablett ab und rang sich für Caissie und Matt, den Dritten im Bunde, ein Lächeln ab. Matt war Caissies bester Freund und ihr heimlicher Schwarm. »Mir geht’s gut. Was ist bei euch los?«
»Nicht viel, wir spekulieren nur über den Neuen«, gab Caissie zurück und sah Michele bedeutungsvoll an. »Weil Matt nämlich ein totales Strebergenie ist und fortgeschrittene Analysis bei den Zwölftklässlern
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