Timeline: Eine Reise in die Mitte der Zeit
und sagte zu ihnen: »Geht auf der Stelle!« Und öffnete eine Seitentür.
Und so fanden sie sich in einem kleinen, schlichten Zimmer neben dem Gemach des Abts wieder. Das Knarzen des Betts verstummte, sie hörten das Murmeln der Kröte, die eindringlich mit dem Abt sprach.
Einen Augenblick später ging eine andere Tür auf, und eine Frau kam herein. Ihre Beine waren nackt, das Gesicht war gerötet, und sie ordnete hastig ihre Kleider. Sie mußte außergewöhnlich schön sein. Als sie sich umdrehte, sah Chris erstaunt, daß es Lady Claire war.
Sie bemerkte seinen Blick und fragte: »Warum starrt Ihr so?«
»Äh, Mylady…«
»Squire, Eure Miene ist höchst unangebracht. Wie könnt Ihr es wagen, über mich zu urteilen? Ich bin eine Edelfrau, allein in fremden Landen, ohne Beschützer, der mich führt und verteidigt. Und doch muß ich nach Bordeaux reisen, das über hundert Meilen entfernt liegt, und von dort nach England, um Anspruch zu erheben auf die Ländereien meines Gatten. Das ist meine Pflicht als Witwe, und in diesen Zeiten des Krieges und des Aufruhrs werde ich ohne Zögern alles tun, was nötig ist, um dies zu erreichen.«
Chris dachte, daß Zögerlichkeit eindeutig nicht zum Charakter dieser Frau gehörte. Er war verblüfft über ihre Kühnheit. Marek dagegen sah sie mit offener Bewunderung an. »Ich bitte Euch, Mylady, vergebt ihm«, erwiderte er gewandt, »er ist noch jung und oft gedankenlos.«
»Die Umstände ändern sich. Ich brauchte eine Empfehlung, die nur der Abt mir geben konnte. Was mir an Überzeugungskunst zur Verfügung steht, benutze ich.« Lady Claire hüpfte von einem Fuß auf den anderen, um das Gleichgewicht zu halten, während sie ihre Beinlinge anzog. Sie band sie zu, strich dann ihre Kutte glatt, setzte die Haube auf und band sie mit geschickten Fingern unter dem Kinn zu, so daß nur noch ihr Gesicht zu sehen war.
Nun sah sie aus wie eine Nonne. Ihr Verhalten wurde demütiger, ihre Stimme leiser, sanfter.
»Nun wißt Ihr, durch eine Fügung des Schicksals, was ich eigentlich niemanden wissen lassen wollte. So bin ich Euch auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und bitte Euch um Euer Schweigen.«
»Ihr habt es«, sagte Marek, »denn Eure Angelegenheiten gehen uns nichts an.«
»Und Ihr habt dafür mein Schweigen«, erwiderte sie. »Denn es ist offensichtlich, daß der Abt Euer Hiersein vor Arnaut de Cervole verheimlichen will. Habe ich Euer Wort?«
»Fürwahr, Mylady, Ihr habt es.«
»Ja, Mylady«, sagte Chris.
»Ja, Mylady«, sagte Kate.
Als Claire Kates Stimme hörte, runzelte sie die Stirn und ging dann zu ihr. »Sprecht Ihr wahr?«
»Ja, Mylady«, sagte Kate noch einmal.
Claire strich mit der Hand über Kates Brust und spürte ihren Busen unter dem straffen Brusttuch. »Ihr habt Euch die Haare abgeschnitten, Maid«, sagte sie. »Wißt ihr, daß eine Frau, die sich als Mann verkleidet, mit dem Tode bestraft werden kann?« Sie sah Chris an, als sie dies sagte.
»Wir wissen es«, sagte Marek.
»Ihr müßt Eurem Magister sehr ergeben sein, wenn Ihr Euer Geschlecht aufgebt.«
»Das bin ich, Mylady.«
»Dann bete ich für Euch, daß Ihr es überlebt.«
Die Tür öffnete sich, und die Kröte winkte ihnen. »Würdige Herren, kommt. Mylady, bitte bleibt, der Abt wird Euch schon bald zu Gefallen sein. Aber Ihr würdigen Herren, bitte kommt mit mir.«
Draußen im Hof beugte sich Chris zu Marek und flüsterte: »André, diese Frau ist das reinste Gift.«
Marek lächelte. »Ich gebe zu, daß sie ein gewisses Feuer hat…«
»André, ich sag's dir. Du kannst ihr kein Wort glauben.«
»Ach wirklich? Ich finde, sie war erstaunlich aufrichtig«, sagte Marek. »Sie sucht Schutz. Und sie tut gut daran.«
Chris starrte ihn an. »Schutz?«
»Ja. Sie sucht einen Beschützer«, erwiderte Marek nachdenklich.
»Einen Beschützer? Von was redest du? Wir haben nur noch wie viele Stunden sind es noch?«
Marek sah auf seinen Timer am Armband. »Elf Stunden und zehn Minuten.«
»Und was soll das dann mit dem Beschützer?«
»Ach, das war nur so ein Gedanke«, sagte Marek. Er legte Chris den Arm um die Schulter. »Ist nicht wichtig.«
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11:01:59
Sie saßen zusammen mit vielen Mönchen an einem langen Tisch in einem großen Saal, eine Schüssel mit dampfender Suppe vor sich und in der Mitte des Tisches große Vorlegeplatten, auf denen sich Gemüse, Rindfleisch und gebratene Kapaune türmten. Niemand rührte auch nur einen Muskel, alle hatten die Köpfe zum Gebet gesenkt, und
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