TimeRiders 03: Der Pandora Code
gehört, dass es mitten in Texas ein verflixtes Meer gegeben haben soll.«
»Doch«, erwiderte Franklyn im selbstsicheren Ton eines kompetenten Wissenschaftlers. »Vor 65 Millionen Jahren war da eins. Ein Binnenmeer, das von Norden nach Süden quer durch Amerika verlief und es in zwei Hälften teilte. Ãberhaupt würdest du die Erde, wenn du sie in diesem Moment vom Weltraum aus sehen könntest, gar nicht wiedererkennen.«
Eine gute Minute lang betrachtete Liam einfach nur das Schauspiel, das sich ihm bot, erschüttert von dem Gedanken, dass er soeben etwas sah, das kein Mensch zuvor jemals gesehen hatte und niemals wieder sehen würde. Ein unendlich kostbarer, einzigartiger Moment. Vor langer Zeit â und es kam ihm vor, als sei es in einem anderen Leben gewesen â hatte er sich in den knirschenden Eingeweiden eines untergehenden Schiffs befunden, hatte bis über die Hüften im eiskalten Wasser stehend auf seinen nahenden Tod gewartet und dabei geweint wie ein kleines Kind. Und dann war da plötzlich Foster gewesen, der ihm die Hand entgegengestreckt hatte. Der ihm versprochen hatte, dass er, wenn er mit ihm kam, wunderbare Dinge erleben würde. Unglaubliche Dinge.
»Na, das ist bestimmt eines davon«, sagte Liam leise zu sich selbst.
»Was hast du gesagt?«, wollte Kelly wissen.
Liam riss sich zusammen und grinste. »Nichts, ich hatte nur gerade laut gedacht ⦠hier also haben sich all die groÃen Kerle versteckt.«
Die anderen lachten.
»Wir werden die Nacht hier oben verbringen«, verkündete Liam, den Blick auf den türkisfarbenen Streifen am Horizont gerichtet. »Und morgen werden wir dort unten am Strand sein, ja, das werden wir.«
37
65 Mio. Jahre v. Chr. Urwald
Liam genoss die Wärme des Feuers in seinem Gesicht und an seinen Händen. Nachdem die Sonne untergegangen war, war es hier oben am Gipfel überraschend kühl geworden, und seine durchgeschwitzte Kleidung fühlte sich nun unangenehm klamm an.
Seit der Himmel immer dunkler wurde und die letzten Strahlen der untergegangenen Sonne am Horizont ein warmes, bernsteinfarbenes Licht verbreiteten, war die Luft von den Schreien der Tiere erfüllt, die einander über die Ebene hinweg zu rufen schienen.
Er hörte, wie sich in der Dunkelheit Schritte auf dem Kies näherten. Becks lieà sich müde neben ihn auf den Boden sinken. »Hallo, Liam.«
»Hallo«, erwiderte er und kaute weiter auf dem zähen Stück aufgewärmten Fisch. Er schaute sie an und sah ihre Augen im Widerschein des Lagerfeuers vor ihnen glänzen. Er fragte sich, was sich hinter diesen Augen wohl abspielen mochte, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt war, Prioritäten festzulegen und Wahrscheinlichkeiten auszurechnen. AuÃerdem fragte er sich, ob das winzige, mit dem Computer verbundene biologische Gehirn in ihrem Kopf die Schönheit des bernsteinfarbenen Widerscheins am Himmel genieÃen konnte, oder aber die Wärme des Feuers.
»Deine künstliche Intelligenz ist wieder ein bisschen gewachsen, stimmtâs?«, sagte er zu ihr. »Dass mit den Angsthasen vorhin war ⦠na ja, mindestens so lustig wie die Witze meiner alten Tante Noreen, aber ⦠was ich meine ist, es klang beinahe menschlich.«
»Danke.« Sie nickte. »Es ist nützlich für mich, diese jüngeren Menschen zu beobachten. Ihre sozialen Interaktionen sind stärker von emotionalen Indikatoren geprägt als die von Ãlteren, und weniger durch gesellschaftliche Konventionen eingeschränkt.«
Liam brauchte eine Weile, bis er begriffen hatte, was sie meinte. »Du meinst, dass sie eher mit dem, was sie wirklich denken, herausplatzen als Erwachsene?«
»Positiv.«
»Na ja, da hast du wahrscheinlich recht«, meinte er grinsend.
Laura Whiteley hatte mitbekommen, worüber sie sprachen. »Ich platze nicht mit irgendwas heraus«, widersprach sie. »Das tun nur Kinder.«
Becks sah sie an. »Bist du denn kein Kind?«
Mit hochgezogenen Augenbrauen und ungläubigem Blick wandte sich Laura Liam zu, so als wolle sie sagen: »Spinnt die denn total?« Zu Becks sagte sie würdevoll: »Wie bitte? Ich bin 15. Ich bin kein Kind mehr. Ich bin ein Teenager.«
»Du hast noch vier Jahre körperlicher und geistiger Entwicklung vor dir, bevor du faktisch als erwachsenes menschliches Wesen giltst«, entgegnete Becks. »Die optimale
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