Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
Vom Netzwerk:
schaut ihr zuerst auf die dazugehörige Nummer. Dann zieht ihr den Stöpsel hier vorne heraus, der die gleiche Nummer hat, und steckt ihn in das Loch, wo das Signallämpchen brennt. Nun fragt ihr den Anrufer nach der gewünschten Nummer. Wenn er sie genannt hat, nehmt ihr den andern Stöpsel mit der entsprechenden Nummer und steckt ihn in das gleichnummerierte Loch im Kasten. Damit habt ihr die Verbindung hergestellt. Wenn die Lämpchen verlöschen, haben die Teilnehmer aufgelegt. Nun zieht ihr die Stöpsel wieder heraus und tut sie an ihren Platz zurück. Dann müsst ihr aber auch die kleinen Klappen wieder hochklappen, damit keine Fehler geschehen. Habt ihr das kapiert?«
    Pussi Tucher nickte eifrig.
    »Das ist furchtbar einfach und sehr lustig«, erwiderte sie.
    Lotte Dröhne legte den Finger an die Nase und blickte mich ein bisschen verwirrt an. Ich machte ihr noch einmal alles genau vor und ließ sie es selber wiederholen. Sie musste sich vor den Kasten setzen und die Hörer mit der Sprechmuschel aufziehen. Nachdem sie es einige Male geübt hatte, wusste sie auch Bescheid.
    »So!«, sagte ich. »Du bleibst gleich hier sitzen und übernimmst den Telefondienst. Pussi wird dich nachher ablösen. Dann kannst du essen gehen. Wenn du heute Kakao getrunken hast im ›Goldenen Posthorn‹, kommst du wieder dran! Wir gehen jetzt! Servus! Mach’s gut!«, fügte ich hinzu.
    Lotte Dröhne verzog das Gesicht.
    »Aber jetzt telefoniert doch keiner«, maulte sie.
    »Das ist egal!«, sagte ich energisch. »Du hast jetzt Dienst. Vielleicht brauchen wir das Telefon sehr bald! Das kann man nie wissen!«
    Otto, Pussi und ich gingen zur Tür. Lotte Dröhne saß mit dem Hörer auf dem Kopf vor dem großen Kasten und starrte regungslos durch das Fenster in den kleinen Garten hinaus. Wir wollten gerade weggehen, da drehte sie sich plötzlich um und rief weinerlich:
    »Muss ich denn ganz allein hier bleiben?« Sie hatte Tränen in den Augen. Sie tat mir eigentlich leid. Sie freute sich gar nicht mehr, Telefonfräulein zu sein. Aber das war nicht zu ändern. Wir Kinder von Timpetill waren durch den Streich, den uns unsere Eltern gespielt hatten, in eine schlimme Patsche geraten. Wir konnten uns nur helfen, wenn jeder seine Pflicht tat und arbeitete. Darum unterdrückte ich mein Mitgefühl und schimpfte zornig:
    »Ja, was glaubst du denn?! Soll ich dir vielleicht ein Kindermädchen dazusetzen? Wir müssen doch alle arbeiten! Das wär’ ja was, wenn jeder gleich losheulen würde! Oder glaubst du, dass es dir bei den Piraten besser geht? Du hast ja gesehen, was die für eine Schweinerei angerichtet haben! Aber bitte! Wenn es dir nicht passt, mach sofort, dass du wegkommst! Ich werde mit Thomas darüber reden! Wir werden über dich zu Gericht sitzen.«
    »Nein, nein, nein! Bitte nicht!«, erwiderte Lotte Dröhne sehr erschrocken. »Ich mach’ schon weiter!«, fügte sie kleinlaut hinzu.
    »Na also!«, sagte ich freundlicher. »Es ist brav, dass du Vernunft annimmst. Du brauchst auch gar keine Angst zu haben. Nachher zieht eine Schutztruppwache vor dem Postamt auf. Die sorgt dafür, dass dir nichts geschieht. Ich werde dich nachher einmal anrufen!«, fügte ich zum Trost hinzu. Dann gingen wir.
    Auf dem Gang sagte Pussi Tucher: »Lottchen ist sehr verwöhnt. In der Schule ist sie auch gleich immer beleidigt.«
    »Na ja!«, brummte ich. »Das kommt davon!«
    Plötzlich blieb Otto Rabe stehen und schlug sich gegen die Stirn. »Wir müssen doch die Jungen im Wasserwerk und im Elektrizitätswerk ablösen!«, rief er aus.
    »Donnerwetter!«, stieß ich hervor. »Das hätte ich beinahe vergessen! Man muss aber auch an so Vieles denken! Mir brummt schon der Schädel wie eine Bassgeige!«
    »Wir müssen in der zweiten Abteilung im ›Goldenen Posthorn‹ essen!«, meinte Otto.
    »Sehr richtig!«, stimmte ich ihm zu. »Und dann müssen wir uns rasch die Ablösungsmannschaft aussuchen und losziehen!«
    Wir rannten auf den Geißmarkt. Ich suchte Thomas. Er stand bei der Schutztruppe und besprach irgendetwas mit Max Pfauser und Fritz Schlüter. Heinz Himmel saß auf der Rathaustreppe. Er hatte einen Schreibblock auf den Knien. Die Soldaten der Schutztruppe bildeten einen Kreis um ihn. Sie riefen ihm ihre Namen zu, die er aufschrieb. Die Arbeitseinteilung schien inzwischen große Fortschritte gemacht zu haben. Überall standen kleinere Gruppen von Jungen und Mädchen um ihren Kommandanten geschart und hielten Beratungen ab. Sogar Ludwig Keller hatte

Weitere Kostenlose Bücher