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Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Timpetill - Die Stadt ohne Eltern: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Winterfeld
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großes Schild auf dem Bahnhof an: ›Timpetill wegen Straßenbau gesperrt‹!«
    »Fabelhaft! Sehr gut!«, riefen viele Kinder anerkennend.
    »Und jetzt kommen wir zum Schluss!«, schrie Thomas in den Saal. »Wir haben keine Ahnung, wann unsere Eltern wiederkommen! Es ist auch ein Rätsel mit sieben Siegeln, warum sie so lange wegbleiben! Wir können uns nicht mehr den Kopf darüber zerbrechen! Wir müssen an die Arbeit gehen! Auf jeden Fall wisst ihr Bescheid. Das Läuten der Kirchenglocken bedeutet, dass die Eltern zurückkommen. So – und jetzt sind wir fertig. Schluss!« Thomas schnappte nach Luft.
    Da wurde plötzlich eine Türe aufgerissen. Minna Pütz kam hereingeschossen. Sie war ganz rot vom Laufen. Um den Kopf hatte sie ein weißes Tuch gewickelt. Sie sah sehr komisch aus. Im Saal wurde es still. Alle Kinder waren aufgesprungen und starrten sie überrascht an. »Essen kommen!!«, stieß die dicke Minna hervor und verschwand wieder wie der Blitz.
    Im Nu entstand ein wildes Gedrängel. Alle Kinder stürzten zu den Ausgängen. Jeder wollte zuerst im ›Goldenen Posthorn‹ sein. Ludwig Keller schlug ununterbrochen auf den Gong. Aber niemand kümmerte sich mehr darum. Die Versammlung war zu Ende.

17
    Die Kommandanten haben es schwer
    Im Speisesaal des »Goldenen Posthorns« ging es zuerst drunter und drüber. Eine schreckliche Aufregung herrschte. Die Kinder benahmen sich wie die Wilden. Sie rauften sich um die Plätze, einer wollte den andern wegschubsen; die Kleinen kamen überhaupt nicht zum Sitzen. Thomas warf sich mit einem Wutschrei in den brodelnden Hexenkessel und verteilte nach links und rechts Rippenstöße. Er packte einen großen Jungen, der gerade ein kleines Mädchen vom Stuhl gestoßen hatte, und versetzte ihm einen Boxhieb gegen das Kinn. Die andern Kinder stoben erschrocken auseinander. Wir Kommandanten schlugen uns von allen Seiten bis zu der langen Tafel durch und halfen Thomas, Ordnung zu schaffen. Einige beherzte Jungen und Mädchen sprangen uns bei. Nach kurzer Zeit war die Ruhe wiederhergestellt. Thomas bestimmte jetzt die Reihenfolge beim Essen: »Zuerst die Kleinen!«, schrie er in zornigem Befehlston. »Alle anderen scheren sich hinaus!!« Er zeigte drohend auf die Tür. Die älteren Kinder zogen, ohne zu widersprechen, ab. Wir drängten sie vollends hinaus und ließen sie auf dem Geißmarkt in mehreren Reihen antreten. Thomas hielt ihnen eine Strafpredigt.
    »Auch wenn ihr Hunger habt, dürft ihr euch nicht wie die wilden Tiere benehmen!«, brüllte er sie an. »Macht ihr noch ein einziges Mal solch eine Schweinerei, lasse ich das Wasserwerk und das Elektrizitätswerk wieder stilllegen!«
    Die Kinder erschraken sehr und schwiegen betroffen. Erwin Giese, der älteste Sohn des Werkmeisters Giese, trat plötzlich vor und streckte Thomas die Hand hin. »Wir schwören, dass es nicht wieder vorkommt, Präsident!«, sagte er verlegen.
    Thomas kniff die Augen zusammen, dann schlug er in die dargebotene Rechte. »Ein Mann, ein Wort, Erwin!«, brummte er.
    »Ein Mann, ein Wort«, erwiderte Erwin Giese.

    »Ein Mann, ein Wort«, riefen alle Kinder einstimmig. Auch die Mädchen. Der Friede war geschlossen.
    »Wir könnten doch gleich mit der Arbeitseinteilung beginnen«, meinte ich.
    Thomas fand die Idee sehr gut. Er ließ Marianne, Trudi Rabe und Ludwig Keller anfangen. Sie sollten sich ihre Mitarbeiter aussuchen. »Teilt die Kinder in zwei Gruppen ein!«, sagte er. »Die erste Gruppe isst nach den Kleinen. Dann die zweite!«

    Marianne kletterte auf den Brunnenrand und rief die Freiwilligen für das Ernährungskommando auf. Thomas und ich warteten die Ausmusterung nicht ab. Wir gingen ins »Goldene Posthorn«, um nach dem Rechten zu sehen.
    Unsere Adjutanten Heinz Himmel und Otto Rabe begleiteten uns. Im Speisesaal saßen die Kleinen jetzt ganz manierlich an der langen Tafel und aßen ihre Kartoffelsuppe. Jedes Kind hatte ein Glas Milch vor sich stehen und einen Keks zur Suppe bekommen. Brot gab es nicht. Das sollten Fritz Bollner und seine Bäckergehilfen am Nachmittag erst backen. Zwischen der Küche und dem Speisesaal eilten Ernas Gehilfinnen geschäftig hin und her. Sie trugen die leeren Teller hinaus und brachten Äpfel zum Nachtisch herein. Thomas schickte Heinz Himmel zu Trudi Rabe hinaus. Sie sollte rasch Aufsichtsmädchen für die Kleinen auswählen. Trudi Rabe kam kurz darauf mit ihrer Adjutantin Röschen Traub. Sie brachten Eva Giese, Irma Kogel und Frieda Leinert mit. Sie

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