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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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ein, ohne überhaupt angeläutet zu haben.
    „Verzeihung, Gnädigste, aber ich nehme an, Sie wollen telefonieren?“, meldete sich Bronstein sachte zu Wort. Die alte Frau drehte sich zu ihm um: „Na, was glauben S’, warum i da steh?“
    „Ja, ja, das habe ich ja vermutet. Allerdings müssten Sie in diesem Fall zuerst den Hörer abheben und dann anläuten.“
    „Hörer? Anläuten? Wollen S’ mi pflanzen?“
    „Ganz und gar nicht, Gnädigste. Doch das Fräulein vom Amt kann Sie natürlich nur verbinden, wenn Sie sich zuerst einmal bemerkbar machen.“
    „A so?“ Die Frau schien nun wirklich erstaunt zu sein.
    Bronstein trat einen Schritt vor. „Sie gestatten?“ Dann nahm er den Hörer aus seiner Halterung. „So, den müssen S’ jetzt an Ihr Ohr halten. Und ich läut derweilen für Sie an.“
    Tatsächlich meldete sich wie erwartet die Bedienstete der Vermittlung. Die alte Dame strahlte. „Jetzt müssen S’ sagen, wen Sie sprechen wollen“, flüsterte Bronstein.
    „Den Ferdinand“, sagte sie glückselig.
    „Was heißt da welchen? Na meinen natürlich.“ Über den Apparat hinweg sah die Dame Bronstein an und schüttelte missbilligend den Kopf: „Nicht sehr helle, das junge Fräulein.“
    „Aber ich bitte Sie, Gnädigste. Die Dame von der Vermittlung kann Sie ja nicht sehen. Sie müssen ihr daher schon sagen, wie der Ferdinand noch heißt.“
    „Na so wie i. Er ist ja mein Bub.“
    „Aha“, sagte Bronstein gottergeben. „Und wie heißen nachher Sie?“
    „Sie Schlingel!“, lächelte die Alte nun anzüglich. „Da kennen wir uns gerade fünf Minuten, und schon wollen S’ wissen, wie ich heiß! Wenn des mein Verewigter sehen tät, der tät schön schauen.“
    „Wissen S’ was, gnä’ Frau. Da am Schalter 4 können S’ die ganze Angelegenheit persönlich erledigen. Das ist vielleicht besser.“
    Jetzt zog sie ein Schnoferl, als wäre sie noch ein jugendlicher Backfisch. „Na, wenn S’ meinen.“ Enttäuscht räumte die Frau das Feld und suchte den Schalter 4, auf dem immer noch in Balkenlettern „Telegramme“ stand. Bronstein nahm in der Zwischenzeit den Hörer an sich.
    „Hallo? Den Generalstab bitte!“
    Es knackste eine Weile, dann meldete sich ein Hauptmann Selzer. „Ja, Oberkommissär Dr. Bronstein, begrüße Sie“, begann er, „ich hätte ein persönliches Anliegen vorzubringen. Wo residieren Sie denn?“
    „Seit neuestem am Stubenring. Kriegsministerium. Fragen S’ einfach beim Portier, der weist Sie dann schon ein.“
    „Sehr gut. Und wie lange ist bei Ihnen noch jemand erreichbar?“
    „Bis 17 Uhr sicher.“
    „Danke. Das passt.“
    Nun, das war gar nicht einmal so weit. Er brauchte einfach nur mit der Straßenbahn die Mariahilfer Straße hinunterzufahren, um sich dann dort der Ringlinie anzuvertrauen. Mit etwas Glück war er in einer halben Stunde im Kriegsministerium. Er zündete sich eine Zigarette an und verließ das Postamt.
    Zu seinem großen Glück musste er nicht lange auf eine Tramway warten, er hatte noch nicht einmal seine Zigarette zu Ende geraucht. Er stieg in den Triebwagen ein, zeigte seine Kokarde vor, sagte nur „Dienstfahrt“ und nahm dann im vorderen Teil des Waggons Platz. Beim Hotel „Kummer“ dämpfte er seinen Glimmstängel aus, zwei Stationen später verließ er das Verkehrsmittel auch schon wieder. Er wartete an der Einstiegstelle Burgring auf jene Linie, die ihn zum Ministerium bringen würde, und sehr zu seiner Überraschung dauerte es abermals nicht sonderlich lange, bis er wieder zusteigen konnte. Die Straßenbahn hielt an der Oper, am Schwarzenbergplatz und dann noch einmal bei der Weihburggasse, wo der mächtige Neubau des Kriegsministeriums schon überdeutlich zu sehen war. Und so erhob sich Bronstein und stellte sich zur Plattform, um beim nächsten Halt den Wagen verlassen zu können.
    Er ging vor zum Haupteingang des Gebäudes und fragte wie empfohlen den Portier nach dem Generalstab. Der erteilte gelangweilt die gewünschte Information, und Bronstein wunderte sich, dass niemand seinen Namen oder gar seine Legitimation sehen wollte. Offenbar konnte hier jeder aus und ein gehen. Na ja, zuckte Bronstein mit den Schultern, die kaiserliche Armee war immerhin dafür bekannt, dass es bei ihr generell ein wenig leger zuging. Warum also nicht auch hier.
    Er marschierte die Treppe hoch und folgte dann den Türschildern, bis er zur richtigen Aufschrift gelangte. Dort klopfte er. Es war Hauptmann Selzer, der ihn hereinbat. Bronstein zeigte

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