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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Bahnhof musste es ein Postamt geben. Und auf einem Postamt konnte man telegraphieren. Er wandte sich der Kriwanek zu und bedankte sich für ihre Auskünfte, wobei er sie darum bat, sich sicherheitshalber die nächsten Tage zur Verfügung zu halten. Die Kriwanek fühlte sich geschmeichelt und lächelte servil. Doch Bronstein achtete nicht weiter darauf. Er drehte sich zu Lang um: „Du wartest hier, bis die Spurensicherung kommt. Ich telegraphiere einstweilen dem Generalstab, dass wir ihn brauchen.“
    Bronstein wartete keine Reaktion der beiden Personen ab und verließ die Wohnung. Er ging die Stufen abwärts, durchquerte den Hof und steuerte die Straße an. Dort hielt er nach links auf das Postamt zu. Beim Portier angekommen, fragte er nach dem Telegrammschalter.
    „Telewos?“
    „Der Telegrammschalter“, wiederholte Bronstein eine Nuance klarer und lauter.
    „So wos ham mia do ned.“
    „Aber ich bitte Sie, das ist doch ein Postamt, oder etwa nicht?“
    „Des scho. Oba a Telegramm, des gibt’s do ned.“
    „Sie wollen mir ernsthaft erzählen, bei Ihnen kann man keine Depeschen aufgeben?“
    „Ah so. A Depetschen! Wieso sogen S’ denn des ned glei? Des is do drüben!“
    Bronstein sah in die gewiesene Richtung und erspähte tatsächlich einen Schalter, auf den bemerkenswerterweise in Balkenlettern „Telegramme“ gemalt war. Er verkniff sich eine ätzende Bemerkung in Richtung des Portiers und legte die paar Schritte zum besagten Schalter zurück. Dort schnappte er sich eines der ausliegenden Formulare und schrieb seinen Text darauf, freilich nicht ohne auch die anderen vorgeschriebenen Felder säuberlich auszufüllen. Dann beugte er sich zur Öffnung hinunter und linste in den Bereich, der den Postbeamten vorbehalten war.
    „Tschuldigung“, nuschelte er durch die Öffnung, „i hättat do a Telegramm.“
    Der diensthabende Postler warf einen geringschätzigen Blick in Bronsteins Richtung. Dann ergriff er eine neben ihm liegende Knackwurst und biss herzhaft hinein. Erst als seine Zähne vollends zur Ruhe gekommen waren, nahm er eine Bierflasche und tat einen langen, kräftigen Schluck. Endlich stand er auf und trat an den Schalter. Nach einer flüchtigen Musterung von Bronsteins Formular schob er dieses in Richtung des Polizisten.
    „Wos soll i mit dem Wisch? Des is ja a Stadttelegramm. Des kann i ned annehmen.“
    „Ah nicht? Ja, wer nachher dann?“
    „Nur die Zentrale.“
    „Aha. Und wo is die, die Zentrale?“
    „Na auf der Hauptpost“, belferte der Postbeamte, sich über die Beschränktheit seines Visavis sichtlich wundernd. Dann schickte er hinterher: „Und übrigens, Auskunftsbüro bin i a kans.“
    Der Mann hatte gesprochen, die Sache war erledigt. Er drehte sich um und setzte sich wieder an seinen Platz. Bier und Wurst waren wieder seine Klienten, und Bronstein war nur noch Luft.
    Wenn er, so überlegte Bronstein, jetzt zur Hauptpost ging, um ein Telegramm abzuschicken, dann war es fraglos effizienter, sich unangekündigt sofort zum Generalstab zu begeben. Aber wo saß der überhaupt? Auf sein Telegramm-Formular hatte er wie selbstverständlich die Adresse des Kriegsministeriums geschrieben, doch das musste nicht notwendigerweise auch die Adresse des Generalstabs sein.
    Egal, er war ja jetzt auf einer Post. Und da musste es doch wohl auch ein Telefon geben. Also beugte sich Bronstein ein weiteres Mal zu der Öffnung hinunter: „Wo kann man denn da telefonieren?“
    Der Beamte sah nun wirklich zum Fürchten aus: „Sag, woll’n S’ mi frotzeln? I hab Ihnen schon g’sagt, dass i ka Auskunftei bin. Also schieben S’ ab, und des dalli.“
    Nun kam aber auch in Bronstein die Wut hoch. Er hielt seine Kokarde durch den Schlitz und brüllte dann: „Jetzt reicht’s mir aber, du Safensiader. Wennst ned spurst, dann kastl i di ei für vierazwanz’g Stunden. Hast mi? Also jetzt sag mir g’fälligst, wo i da telefonieren kann, oder du musst dir deine Wurscht lang einteilen!“
    Die Kokarde hatte wie erwartet entsprechend gewirkt. Der Mann wurde von einem Augenblick zum nächsten gleich viel umgänglicher. „Aber warum sagen S’ das denn ned gleich, Herr Inspektor? Man hilft ja gern. Gleich um die Ecke warat’s. Schalter 5. Is ned zum Verfehlen.“
    „Danke“, knurrte Bronstein und wandte sich ab. Er umkurvte eine Säule und stellte sich dann beim genannten Schalter an. Die Dame vor ihm schien mit der neuen Technik noch nicht so recht vertraut zu sein, denn sie redete auf den Apparat

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