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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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der Paulanergassen auf der Wieden, den Anton Binder, Leutnant, in der Margaretenstraße, den …“
    „Ja, ja, ich hab schon verstanden. Wie viele Binders sind Oberleutnante oder Hauptmänner?“
    Die Beamtin verdrehte die Augen und legte den Stapel vor Bronstein auf den Tisch. „Außer die zwei alle“, sagte sie nach einer Weile.
    Na grüß Gott! 21 Binders! Das konnte heiter werden. Besser war es wohl, sich zu Hevesi zu verfügen und den zu fragen, wie besagter Binder mit Vornamen hieß.
    „Witzig“, ließ sich die Dame vom Amt vernehmen, „da heißt einer Baumgarten und wohnt auf der Baumgartner Höh. Zufälle gibt’s, was? Das glaubt ma ned!“
    „Ich hab glaubt, Sie haben da nur die Binders? Wieso haben S’ auf einmal einen Baumgarten da dabei?“
    „Na weil einer der Binders bei diesem Baumgarten auf Untermiete wohnt.“
    „Zeno?“, fragte Bronstein, einer spontanen Eingebung folgend.
    „Richtig“, bestätigte die Frau, „Zeno von Baumgarten. Baumgartner Höhe 11.“
    „Baumgartner Höhe? Ich hab glaubt, da ist nur das Narrenhaus?“
    „Nein, nein, das ist eine ganz normale Straße. Das Spital ist Nummer 1 folgende. Also muss das Haus vom Herrn Baumgarten quasi gleich daneben sein.“
    „Na servus. Wer wohnt freiwillig neben die Depperten?“, entfuhr es Bronstein.
    „Na ja, das Spital gibt’s ja erst seit ein paar Jahren. Davor war das eine nette Villengegend, ned wahr.“
    „Na, die werden sich jetzt fest ärgern, die sich dort ein Haus hing’stellt haben.“
    „Oder sie vermieten’s einfach“, fuhr die Beamtin fort. „Ich seh grad, der Herr Baumgarten, der was auch ein Offizier ist, hat noch eine Meldeadresse in der Inneren Stadt. Wahrscheinlich wird der einfach seinem Kameraden die Wohnung dort überlassen haben.“
    „Ja, gut möglich“, billigte Bronstein der Rede der Amtsperson Plausibilität zu, „aber das ist mir, ehrlich gesagt, wurscht. Hauptsache, ich weiß, wo ich den Binder find.“
    „Otto. Oberleutnant.“
    Unwillkürlich wollte Bronstein ein schlichtes „Ha?“ in den Raum schicken, doch fiel bei ihm gerade noch rechtzeitig der Groschen. Die Frau hatte ihm verraten, wie der Binder mit Vornamenhieß und welchen Rang er bekleidete. „Danke“, sagte er daher nur, um schließlich ein „Wiederschau’n“ hinterherzuschicken.
    Wieder auf der Straße, machte er sich auf den Weg in die Leopoldstadt, um sich erst einmal mit dem Oberleutnant Hevesi auseinanderzusetzen. Das genannte Gebäude hatte ganz entschieden schon bessere Zeiten gesehen, und Bronstein war sich ganz und gar nicht sicher, ob eine derartige Unterkunft für einen Generalstäbler als standesgemäß durchgehen mochte. Doch er war nicht von der militärischen Standesvertretung und auch nicht von einer ärarischen Kommission, also konnte ihm rechtschaffen egal sein, wo der Herr Hevesi zu hausen beliebte.
    An der angegebenen Tür klopfte er, und eine Weile blieb sein Tun völlig folgenlos. Also wiederholte er seine Handlung, diesmal freilich ein wenig lauter. Als er sich sicher war, das Feuer der gesamten napoleonischen Artillerie konnte nicht mehr Lärm verursacht haben als sein Hämmern gegen die Tür, wurde er endlich einer Reaktion aus dem Inneren der Wohnung gewahr.
    „Eine Ruh is! Augenblicklich!“, brüllte jemand.
    „Oberleutnant Hevesi?“, rief Bronstein durch den geschlossenen Wohnungseingang, „Polizei! Machen S’ auf!“
    Nach einer halben Ewigkeit hantierte hörbar jemand an diversen Schlössern. Dann endlich wurde geöffnet. Der Mann, der wohl Hevesi war, sah aus, als hätte er als einer der wenigen den Rückzug der Grande Armee aus Russland überlebt. Er steckte in einer zerknitterten Uniformhose, deren Hosenträger er achtlos herabhängen ließ. Der Oberkörper des Mannes war mit einem weißen Unterleibchen bekleidet, und das Gesicht verriet, dass Rasierzeug schon lange nicht mehr als gefragt gegolten hatte.
    „Was?“, knurrte der Mann.
    „Sind Sie Oberleutnant Hevesi?“
    „Wer lässt fragen?“
    „Oberkommissär Bronstein, Bezirkspolizeikommissariat Rudolfsheim.“
    Der Mann blies verächtlich aus.
    „Und deswegen steh ich auf? Ich bin Oberleutnant Hevesi. Und ich weiß nicht, was Sie von mir wollen. Also einen schönen Tag noch!“
    „Moment“, Bronstein stellte schnell seinen Fuß in die Tür, sodass Hevesi diese nicht schließen konnte, „ich hätte ein paar Fragen an Sie in einer offiziellen Angelegenheit. Wenn es Ihnen lieber ist, können wir das natürlich auch auf dem

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