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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Kommissariat erledigen, aber ich dachte, es ist vielleicht auch in Ihrem Interesse, wenn wir alles hier bei Ihnen besprechen.“
    Hevesi stutzte. Dann, nach einer Weile, hob er die Hände zu einer entschuldigenden Geste: „Ich habe dem Blutsauger doch gesagt, er kriegt sein Geld.“
    „Äh, wie bitte?“
    Auf Hevesis Gesicht machte sich Erstaunen breit: „Ach, kommen Sie nicht wegen der offenen Rechnung bei diesem Beutelschneider?“
    „Nein, komme ich nicht. Und das interessiert mich auch nicht. Es geht um einen Kameraden von Ihnen, einen Oberleutnant Mészáros.“
    „Ach Gott, der Lajos! Worum geht’s denn?“
    „Der Herr Oberleutnant wurde gestern tot aufgefunden. Und wir untersuchen die Hintergründe dieses Ablebens. Wie es heißt, waren Sie neben einem Oberleutnant Binder Mészáros’ bester Freund.“
    „Nun ja, was heißt schon Freund in der Armee? … Tot, sagen Sie?“
    Bronstein nickte.
    „Ausgerechnet er. Der war der Einzige von uns, der nicht gesoffen hat wie ein Loch. Ich war mir immer sicher, wenn der stirbt, dann nur in der Schlacht. … Aber gut, kommen Sie erst einmal herein.“
    Für die Wohnung eines Offiziers sah die Unterkunft bemerkenswert heruntergekommen aus. Überall lagen leere Flaschen herum, dazwischen machten sich übervolle Aschenbecher breit. Hevesi bemerkte Bronsteins taxierenden Blick: „Das Leben als Offizier Seiner Kaiserlichen Hoheit ist alles andere denn glamourös – wie Sie sehen.“ Mit einer unbestimmten Geste in den Raum bot Hevesi Bronstein dessen ungeachtet Platz an. Der fand einen halbwegs leeren Stuhl, transferierte die auf ihm befindlichen Gegenstände auf den Boden und setzte sich.
    „Der Lajos Mészáros, was war das für ein Mensch?“
    „Still. Sehr ernst und sehr still. Zielstrebig, könnt man sagen … Wieso ist der überhaupt tot?“ Hevesi schien erst jetzt die ganze Tragweite des Gesagten zu erfassen.
    „Um das herauszufinden, habe ich unter anderen auch Sie aufgesucht, Herr Oberleutnant.“
    Hevesi sah sich in der Küchenzeile um, fand endlich, was er gesucht zu haben schien, und griff selig lächelnd nach einer Flasche Schnaps. Er schenkte sich ein Viertelliterglas voll und trank die weiße Flüssigkeit in großen Schlucken, so als handelte es sich bei dem Inhalt der Flasche um Wasser. Dann schmatzte er zufrieden und sah Bronstein wieder an.
    „Bronstein, haben Sie gesagt, richtig? Ein jüdischer Name! Sind Sie Jude?“
    „Ich bin Protestant“, entgegnete Bronstein indigniert.
    „Ich auch“, replizierte Hevesi und wirkte dabei, als hätte er Bronsteins Wechsel der Tonart nicht bemerkt. „Der Lajos war auch Protestant. Na ja. Das ist jetzt ja wohl ziemlich gleichgültig.“ Hevesis Blick verlor sich im Nirgendwo, und während Bronstein darauf wartete, dass von Seiten des Ungarn noch eine weitere Erklärung folgte, schien es, als schliefe Hevesi im Sitzen ein.
    „Sie müssen schon entschuldigen, Herr Oberkommissär“, meldete er sich dann doch wieder zu Wort, „aber ich hatte die letzten paar Tage … äh … indisponiert, nicht?!“
    „Wann haben Sie denn den Mészáros zuletzt gesehen?“
    Hevesi bemühte sich um einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Hmmm“, machte er vernehmlich. „Gute Frage … Früher waren wir ja praktisch permanent gemeinsam unterwegs. Dienstlich wie privat. Aber dann hat er sich auf einmal sehr geändert, der Lajos. Er hat gemeint, es bringe ihm nichts, wenn er immer nur mit dem Otto und mir Umgang pflegt. Er müsse vorwärtskommen, hat er gesagt, und dazu bedürfe es anderer Gesellschaft, als wir es sind. … Stellen Sie sich das vor, das sagt der einfach so. Hat sich wohl auf einmal für etwas Besseres gehalten. … Na ja, genützt hat es ihm offensichtlich nichts.“
    „Was?“ Bronstein war begierig zu erfahren, was denn Mészáros offensichtlich nichts genützt hatte.
    „Na, dass er versucht hat, an die hochwohlgeborenen Offiziere Anschluss zu finden. Der ist mit einem Mal nur noch mit diesem neureichen Schnösel, diesem Baumgarten, unterwegs gewesen.“
    „Der Vermieter von Oberleutnant Binder?“
    „Genau der. Den müssen Sie sich einmal ansehen. Blasiert und arrogant, dabei hat er von Strategie und Taktik nicht die geringste Ahnung. Im Generalstabskurs ist er die allergrößte Null von allen. Aber es sieht so aus, als hätte er Protektion von oben, denn immer wenn wir glaubten, jetzt wird er aus dem Kurs entlassen, kam es dann doch wieder zu einer Kehrtwende, und Baumgarten durfte weiterhin

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