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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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nachsehen konnte. Bronstein sah zu, dass er zum Ring kam, wo er in die Straßenbahn einstieg. An der Mariahilfer Straße angekommen, stieg er um und war so nach einer knappen halben Stunde bei der Stiftskaserne angekommen. Er zeigte dem Stehposten am Tor seine Kokarde und erklärte, er wünsche den diensthabenden Oberleutnant zu sprechen. Dieser stürmte ungehalten aus seinem Aufenthaltsraum.
    „Was soll das? Ich bin im Dienst!“, fauchte er. „Ich hab keine Zeit für irgendwelche Petenten.“
    „Ach, ich bin kein Petent“, entgegnete Bronstein gelassen und zückte seine Kokarde. Binder erbleichte, hakte Bronstein unter und führte ihn aus der Sichtweite des Postens. „Um Himmels willen“, zischte er nun, „ich zahle ja. Da muss man doch nicht gleich die Polizei bemühen. Der alte …“
    „Es geht nicht um Geld, Herr Oberleutnant.“
    Binders Gesicht hellte sich wieder auf: „Ach, kommen Sie nicht wegen dem alten Beutelschneider?“
    „Nein. Komme ich nicht. Obwohl mich schön langsam interessieren würde, wer der alte Beutelschneider ist, denn auch Oberleutnant Hevesi vermutete den Grund meines Erscheinens in just dieser Angelegenheit.“
    „Ach, nicht so wichtig“, wiegelte Binder ab. „Worum geht es dann?“
    „Sie haben vom Ableben des Oberleutnants Mészáros gehört?“
    „Ja, schreckliche Sache. Hier in der Kaserne ist das Tagesgespräch. Aber weshalb wird da die Polizei bemüht? Ich dachte, es handelt sich um Selbstmord?“
    „Das wissen wir eben noch nicht genau, da bedarf es erst noch genauerer Ermittlungen.“
    Binder straffte sich: „Was wollen Sie wissen?“
    „Es heißt, Sie waren mit Oberleutnant Mészáros eng befreundet?“
    „Sehen Sie, bis vor kurzem hätte ich diese Frage ohne zu zögern mit einem klaren Ja beantwortet. Jetzt bin ich mir allerdings nicht mehr so sicher.“
    „Aha, und warum?“
    „Weil er seit geraumer Zeit nur noch mit meinem Vermieter verkehrt hat, der Mészáros. So, als wäre er auch so ein Beamtenadel.“ Bronstein entging nicht, wie verächtlich Binder das letzte Wort ausgestoßen hatte.
    „Sie meinen Herrn von Baumgarten?“
    „Genau den. Ein aufgeblasener eitler Geck, nichts weiter. Aber“, und dabei beugte sich Binder nach vorn und senkte gleichzeitig seine Lautstärke, „der genießt Protektion von ganz oben. Kein Wunder, dass sich der Mészáros da angehängt hat. Der hat geglaubt, an der Seite vom Baumgarten kann er auch reüssieren. Natürlich hat er sich da geschnitten … und zwar gewaltig, wie es scheint“, fügte Binder nach einer kleinen Pause hinzu.
    „Das heißt, Ihnen wäre nicht aufgefallen, dass Mészáros zuletzt anders gewesen wäre als sonst? Irgendwie melancholischer oder trübsinniger?“
    „Der war eigentlich immer melancholisch. … Und eigentlich war’s genau umgekehrt, jetzt, wo ich es mir genau überleg. Grad am End war er sogar direkt euphorisch. Wie neugeboren. Direkt geschwärmt hat er von dem eitlen Tropf. Ich sag Ihnen, wenn ich’s nicht besser gewusst hätte, ich hätt glauben können, der Mészáros war verliebt.“
    „Besser gewusst?“
    „Na hören Sie, so etwas wäre ja widernatürlich!“, brauste Binder auf. „Glauben Sie, die Armee hat Platz für Sodomiten und ähnlich perverses Gezücht? Nein, so einer war der Mészáros sicher nicht. Das hätten wir mit Sicherheit gemerkt. Und er auch, nebenbei bemerkt.“
    „Inwiefern?“
    „So einem Schwein schneidet man die Eier ab, damit er seine Abartigkeit nicht vererben kann. Das gilt natürlich auch für einen Kameraden, und, ich würde sogar sagen, insbesondere für einen Kameraden.“
    Binders Ausführungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Bronstein blieb nur, zu nicken und sich zu empfehlen.
    Dies tat er umso eher, als die Zeit mittlerweile doch recht weit fortgeschritten war. Wollte er fristgerecht im Kommissariat erscheinen, dann war es klüger, wenn er sich sputete. Unterwegs in den 15. Bezirk hielt er noch bei einem Rossfleischhauer, wo er sich eine kleine Wegzehrung besorgte, dann begab er sich, zufrieden mit den gewonnenen Erkenntnissen, zurück an seinen eigentlichen Arbeitsplatz.
    „Sag, red ich eigentlich für die Luft, oder was?“ Schon von weitem war das Gebrüll des Postenkommandanten zu hören. „Ich hab dir klipp und klar gesagt, dass dich der Fall nichts angeht. Und du setzt dich einfach über meine Weisung hinweg. Ja, spinn ich, oder was?“ Bronsteins Vorgesetzter schlug mit der Faust auf den Tisch. „Am liebsten

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