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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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fluchte er innerlich. Eben hatte er sich noch einen Mord gewünscht. Aber doch nicht so einen. Nicht nur, dass es hier gar nichts aufzuklären gab, denn unzählige Menschen hatten mit eigenen Augen gesehen, wie dieser Wahnsinnige den Ottakringer Volkstribun niedergestreckt hatte, er hatte sich dabei noch nicht einmal mit Ruhm bekleckert, denn wäre er ein klein wenig schneller von Begriff gewesen, hätte er die Tat vielleicht noch verhindern können.
    Einige Bahnbeamte hatten den Mörder in der Zwischenzeit überwältigt. Er lag nun selbst auf den steinernen Fliesen, das Gesicht in die Richtung seines Opfers gedreht. Einige uniformierte Polizisten eilten herbei und veranstalteten eine allgemeine Hektik. Bronstein wusste, für ihn gab es hier nichts mehr zu tun. Die Gerechtigkeit würde in diesem Fall ganz automatisch ihren Gang gehen, Zeugen gab es genug, es brauchte nicht auch noch ihn. Er stand auf und ging langsam auf den Ausgang zu, denn der Paketträger war mittlerweile sicherlich schon über alle Berge.
    Bronstein wollte eben die Szene endgültig verlassen, als ihm eine dritte Person auffiel, die auf dem Boden lag. Eine junge Frau. Eine bemerkenswert hübsche junge Frau. Entsetzen packte Bronstein. War sie etwa auch zu Schaden gekommen? Mit einem großen Sprung war er bei ihr und beugte sich über sie. Verletzungen waren keine zu erkennen, und wenn er die Anzeichen richtig deutete, dann war sie lediglich ohnmächtig geworden. Er schnappte ihren Hut, der einige Handbreit entfernt lag, und fächelte ihr Luft zu. Dann hob er seinen Kopf an und rief: „Hat hier zufällig jemand Riechsalz?“
    Eine ältere Dame trat auf ihn zu und reichte ihm ein Fläschchen. Bronstein öffnete es und hielt es der jungen Blondine unter die Nase. Ihr Kopf begann sich ruckartig zu bewegen, und ihre Hände zuckten auf und ab. Sie hustete und öffnete endlich die Augen. Ihr Blick traf jenen Bronsteins.
    „Was ist geschehen?“, hauchte sie.
    „Sie sind ohnmächtig geworden, gnädiges Fräulein. Nichts Ernstes, es ist gleich alles wieder in Ordnung“, entgegnete Bronstein.
    „Und das verdanke ich Ihnen!“ Die Blonde lächelte.
    „Ich bitte Sie“, stammelte Bronstein verlegen, „das ist nichts. Das ist doch selbstverständlich.“
    „Ganz und gar nicht“, hauchte sie, „Sie sind mein Retter. Und noch so ein stattlicher dazu.“ Bronstein schlug seine Augen nieder. Es war wohl die Verwirrung im Gefolge der Ereignisse, welche die Frau so sprechen ließ. Dann besann er sich, versuchte, soweit es seine merkwürdige Stellung zuließ, Haltung anzunehmen. Er deutete eine Verbeugung an und meinte: „Oberkommissär David Bronstein. Zu Ihren Diensten.“
    Die Frau machte Anstalten, sich aufzusetzen. Bronstein half ihr dabei. „Ein Offizier! Wie fesch!“ Dann hielt sie ihm, mittlerweile auf dem Boden sitzend, ihre Hand zum Kuss hin: „Marie Caroline Edle von Ritter. Angenehm, Ihre Bekanntschaft zu machen, Herr Oberleutnant.“ Bronstein ignorierte die Verwechslung des Dienstgrades und konzentrierte sich auf das Wesentliche. Er wusste, was sich gehörte, und so hauchte er die Andeu tung eines Kusses auf den behandschuhten Körperteil. „Wenn ich Ihnen aufhelfen dürfte, Gnädigste.“
    „Sie dürfen.“
    Mit einer leisen Geste bedeutete Bronstein den Umstehenden, dass hier nun alles in Ordnung sei, und wandte sich dann wieder der Frau zu: „Sind Sie alleine hier? Brauchen Sie Geleit? Oder kann ich Sie jemandem übergeben? Dem Herrn Gemahl zum Beispiel, oder dem Herrn Papa?“
    „Ich bin alleine hier. Und ich fühle mich noch etwas schwach. Wenn Sie also die Güte hätten, mich nach draußen zu begleiten, damit ich mir eine Mietdroschke nehmen kann, dann wäre ich Ihnen sehr verbunden.“
    „Aber mit dem allergrößten Vergnügen, Gnädigste.“ Bronstein winkelte den Arm an, sodass die Dame ihre Hand auf seinen Unterarm legen konnte. Dergestalt verließen sie sodann das Bahnhofsgelände. Davor sah sich Bronstein um und erkannte in einiger Entfernung ein Taxi. Er steckte Daumen und Zeigefinger in den Mund, um einen markanten Pfiff zu erzeugen. Tatsächlich wurde der Chauffeur auf ihn aufmerksam und steuerte das Automobil zu dem Paar.
    „Wollen Sie mich nicht begleiten? Mein Herr Papa wird sehr begierig sein, den Mann, der seine Tochter aus einer solch unangenehmen Lage befreit hat, kennenzulernen.“
    „Wenn Sie darauf bestehen!“ Bronstein lächelte schüchtern.
    „Selbstverständlich bestehe ich darauf.“
    „Na dann. Wenn

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