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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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sollen, er hätte sich selbst entleibt, Frau Wejwoda“, riss Bronstein die Rede wieder an sich. „Und um das zu klären, sind wir nun auch zu Ihnen gekommen.“
    Die Wejwoda zögerte ein wenig. „Also i glaub scho, dass si der selber hamdraht hat. Der hat des afoch nimma ausg’halten, des Leben.“
    „Aha. Und warum?“
    „Warum, warum, warum! Weil des Leben oasch is. Darum! Dei ganzes Leben lang wirst nur hint’ und vorn beschissen. Da plagst di wie a Packesel, und was bleibt am Schluss? Nix. A Holzkisten und a Einsegnung. Und wennst a Glück hast, dann geht sogar wer mit, wenn s’ di in die Grub’n einfahren lassen.“
    Bronstein war sich sicher, dass die Wejwoda weit eher über ihr eigenes Leben Bilanz zog, als dass sie philosophische Betrachtungen über die Conditio humana anstellte. Doch galt es, behutsam vorzugehen, wenn man der Greisin eine Information entlocken wollte. „Nun wird aber der Herr Oberleutnant ob des Mangels an Lebensjahren und damit verbundener Lebenserfahrung noch nicht jene geistige Tiefe erreicht haben, welche Sie auszeichnet, Frau Wejwoda. Daher stellt sich die Frage, ob er tatsächlich zu einem ähnlich skeptischen Befund kam wie Sie jetzt eben.“
    „Ha?“
    „Der war nu z’ jung für so an Schas“, übersetzte Pokorny, was die Wejwoda prompt zurückschrecken ließ. „I red kan Schas, Sie … trauriges Mandl, Sie.“
    „Sagen S’, Frau Wejwoda“, ignorierte Bronstein den aufkeimenden Disput zwischen der Zeugin und seinem Untergebenen, „kann das sein, dass der Herr Mészáros … nun … andersrum war?“
    Eigentlich hatte er diese Frage ein wenig verklausulierter vorbringen wollen, aber das feindselige Intermezzo um ihn hatte ihn nachhaltig aus dem Konzept gebracht.
    „Der Kurtl … a Warmer?“ Die Wejwoda schien tatsächlich über diese Möglichkeit nachzudenken. „Wenn er’s war, dann hätt er nur einen Grund mehr g’habt, dass er sich die Schleifen gibt. Als Perverser solltest ka Existenzberechtigung haben.“
    „Haben Sie je eine Frauensperson bei ihm gesehen?“, setzte Bronstein nach.
    „Sie meinen außer der Neziba, der männernarrischen Nockn?“
    „Äh … ja.“
    „Naa.“
    Also stimmte die Annahme Mészáros’ sexuelle Orientierung betreffend vielleicht doch, denn wie oft kam es vor, dass ein schmucker Generalstäbler nicht zumindest ab und zu mit dem schöneren Geschlecht auf Tuchfühlung ging? Bronstein kam zu dem Schluss, er würde die künftigen Untersuchungen primär unter diesem Gesichtspunkt führen. Vorerst einmal bei der alten Reininger, deren gute Ohren den ganzen Fall ja erst ins Rollen gebracht hatten.
    Als die Frau ihre Wohnungstür öffnete, wusste Bronstein, warum die Hausbesorgerin, wiewohl selbst nicht mehr die Jüngste, von einer „Alten“ gesprochen hatte. Die Reininger war wohl schon in den Tagen Kaiser Ferdinands des Gütigen zur Welt gekommen und ging locker als die Großmutter des Dreimäderlhauses durch. Bronstein wunderte, dass die Reininger überhaupt noch etwas hören konnte, geschweige denn das Umfallen eines Sessels in der Wohnung über ihr.
    „Grüße Sie, Frau Reininger“, brüllte er daher.
    „Schreien S’ ned a so. I bin ja ned derrisch!“, gab diese pikiert zurück.
    „Ah, hervorragend. Wir kommen wegen dem Herrn Oberleutnant …“
    „Ja, das hab ich mir schon gedacht. Aber ich kann Ihnen dazu eigentlich wenig bis gar nichts sagen, weil ich kümmere mich nicht so um die anderen Leut da. Wissen S’, in meinem Alter, da will man eigentlich nur mehr seine Ruh haben.“
    „Mich tät eigentlich nur eines interessieren“, begann Bronstein dennoch. „War der Mészáros Ihrer Meinung nach ein umgänglicher Mensch?“
    „Jo mei, g’schwärmt haben s’ da alle von ihm. Er war ja auch sehr höflich und zuvorkommend, ned. Und Standesdünkel hat er auch keine g’habt oder so. Er is immer wieder einmal auf ein Plauscherl stehen geblieben, aber ich glaub, dass er trotzdem ein sehr einsamer Mensch war, der Herr Leutnant.“
    „Oberleutnant! Der Herr Mészáros war Oberleutnant.“
    „Pokorny“, tadelte Bronstein seinen Mitarbeiter für dessen überflüssigen Kommentar, „es ist wurscht, was der Mészáros war. Wie er war, das müssen wir herausfinden.“
    „Ich glaub ja“, fuhr die Reininger unverwandt fort, „der hat irgendein schreckliches Geheimnis g’habt, unter dem er sehr g’litten hat. Das hat man ihm förmlich ang’sehen, vor allem, wenn er sich unbeobachtet g’wähnt hat.“
    „Ach ja? Und wo

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