Tinnef
ihm doch ersparen, oder?“
„Natürlich, mein Junge.“ Zwischen den beiden breitete sich ein verschwörerisches Grinsen aus. Bronstein steckte sich das Geld in die Hose und sah zu, dass er mit dem Abwasch fertig wurde.
Als er eine knappe Stunde später wieder auf den Karlsplatz zuhielt, kam er zu dem Schluss, dass er sich von der geborgten Summe auch eine Kleinigkeit zum Abendessen gönnen konnte. Allzu viel hatte er ja an diesem Tag noch nicht zu sich genommen. Die Leberknödelsuppe fiel kaum ins Gewicht, und die zwei, drei Stück Guglhupf machten einen Mann auch nicht wirklich satt. Er erinnerte sich des tschechischen Restaurants nahe dem „Café Museum“, wo er ein gutes Bier und ein kleines Gulasch bestellen würde. Womit auch die Wartezeit bis zu seinem Termin mit Kisch gut zugebracht wäre.
Zu dieser Stunde war das Lokal noch nicht überfüllt. Bronstein wählte einen Tisch in der Nähe der Schank und tat seine Wünsche kund. Er zündete sich eine Zigarette an und wartete in aller Ruhe auf sein Bier. Um sich die Wartezeit zu verkürzen, griff er nach einer Zeitung. Zu seinem Bedauern war nur die „Reichspost“ frei, und die begann mit einem wenig verheißungsvollen Artikel über die Wiener Universität. Ohne auch nur den zweiten Satz zu lesen, blätterte er um. Dort stand etwas über die makedonische Krise, die serbische Krise und die türkische Krise zu lesen. Nun, Krisen hatte er selbst genug. Und seine Augen wanderten auf die Seite 3. Offensichtlich gab es wieder einmal ein Budgetprovisorium. Für die Beamtenschaft konnte das nichts Gutes bedeuten, also vertiefte man sich gar nicht weiter in die diesbezüglichen Ausführungen. Ebenso wenig vermochte der Umstand, dass der Kaiser von Japan zwar erkrankt sei, seine Krankheit aber einen normalen Verlauf nahm, Bronsteins Interesse wecken. Es musste doch auch in diesem Blatt etwas geben, das zu lesen sich lohnte, sagte er sich und blätterte weiter. Der Mittelteil war einer Hochzeit im deutschen Kaiserhaus gewidmet, samt Abdruck des Trinkspruchs von Kaiser Wilhelm. Na prost, dachte Bronstein und freute sich, nun auch selbst einen großen Schluck nehmen zu können, da sein Bier endlich vor ihm stand. Auf Seite 10 wurde er endlich fündig: die Sportnachrichten. Die waren die richtige Lektüre, während er sich an seinem Gulasch, das ihm nun ebenfalls serviert worden war, gütlich tat. Die zweite österreichische Fußballmeisterschaft kam in die entscheidende Phase, und mit Schmerz erinnerte sich Bronstein daran, wie knapp der Wiener Sportclub die erste gegen Rapid verloren hatte. Nun mussten die Dornbacher auswärts gegen die Amateure antreten, während Rapid den GAK empfing. Vienna traf auf WAF, Simmering matchte sich mit der Hertha und Rudolfshügel mit Floridsdorf. Doch leider war Rapid der neuerliche Titel nicht mehr zu nehmen. Für die Mannschaft aus Hernals ging es also nur noch darum, abermals Vizemeister zu werden, was angesichts der starken Form des WAF schwer genug werden würde. Doch noch ehe er über das erneute Scheitern seiner Mannschaft im Rennen um die Meisterschaft in Trübsinn verfallen konnte, fiel sein Blick auf eine Anzeige, die für Biomalz warb. Was, um Himmels willen, mochte das sein? Angeblich verspürte man, wenn man dieses Zeug aß, tagelang keinen Hunger. Aber was, so fragte sich Bronstein, sollte dieser merkwürdige Name bedeuten? Biomalz? Handelte es sich dabei um Malz, das lebte? Ideen hatten die Menschen! Wer vermochte zu sagen, was als Nächstes kommen würde?
Es folgten Lokales, die Wirtschaft und diverse sonstige Anzeigen. Alle diese Themen interessierten Bronstein in etwa so wie die jüngste Papst-Enzyklika. Als er eben die Zeitung angewidert beiseite legen wollte, fiel sein Blick auf eine Annonce auf Seite 32, die für das neu errichtete Margaretenbad warb, das nicht nur Dampf-, Wannen- und Schwimmbäder in seinem Angebot wusste, sondern auch hydro-elektrotherapeutische Behandlung. Vielleicht, so dachte er, sollte er sich wieder einmal rundum pflegen. Das konnte nicht schaden, zumal, wenn er in Bälde wieder auf Freiersfüßen wandeln musste. Instinktiv tupfte sich Bronstein den Mund mit der Serviette ab und schob den Teller von sich. Während er sich eine Zigarette anzündete, kam er zur Seite mit den Urlaubsvorschlägen. Der Pfarrer von Edlitz an der Rax bot seinen Pfarrhof als Feriendomizil an. Passenderweise hieß der Mann Schwarz. Er wies auf drei Zimmer, eine Küche und einen Park hin, welcher das Objekt umgebe.
Weitere Kostenlose Bücher