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Tinnef

Tinnef

Titel: Tinnef Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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besonderer Freude griff er daher zu und rollte die gewählte Zigarre genießerisch unter der Nase. Der Vater reichte ihm die nötigen Utensilien und steckte sich sodann selbst eine an. „Cognac?“, fragte er. Bronstein nickte.
    Der Vater schenkte ihm ein und ließ ihm dann die erforderliche Zeit, Alkohol und Nikotin gebührend zu genießen. Er lehnte sich zurück und sagte nach einer Weile: „Und, mein Sohn, jetzt erzähl einmal, was gibt es Neues?“
    Eigentlich wusste Bronstein nicht, wo er anfangen sollte. Der Fall Redl brannte ihm ebenso auf der Zunge wie das mutmaßliche Ende seiner Beziehung zu Marie Caroline. Dementsprechend entschied er sich für das Naheliegende: „Eigentlich nichts.“
    Doch so leicht kam er seinem Vater nicht von der Angel. „Was macht die Liebe?“, hakte dieser nach.
    „Na ja, eigentlich haben wir zurzeit ein paar Meinungsverschiedenheiten“, entschied sich Bronstein für eine vorsichtige Variante.
    „Bist ihm zu wenig glamourös, dem Fräulein von?“
    „Äh, wie kommst jetzt da drauf?“
    „Ich bitte dich, mein Sohn, auch wenn ich alt und gebrechlich bin, heißt das noch lange nicht, dass auch die Senilität von mir Besitz ergriffen hätte. Stünde bei euch alles zum Besten, dann würdest just jetzt mit ihr durch den Prater spazieren und euch im Lusthaus einen Kaffee bestellen, anstatt bei uns anzutanzen.“
    „Ja, und was hat nachher das Lusthaus mit Glamour zu tun?“
    „Das Lusthaus nichts. Aber dass ihr gestritten habt, ist offensichtlich, sonst wärst du nicht da. Und worüber kann man in dem Stadium einer Beziehung, in dem ihr euch befindet, streiten? Doch wohl nur über Fragen der Etikette. Und die wiederum, werter Herr Sohn, sehen zwischen uns und den Damen und Herren von und zu sehr verschieden aus.“ Der Vater riskierte einen schnellen Seitenblick auf Bronstein. „Das fängt schon bei der Kleidung an“, fuhr er dann fort.
    Unwillkürlich sah Bronstein auf seine Körpermitte hinab. Nun ja, die eilig zusammengestoppelte Toilette war wohl wirklich nicht der letzte Schrei. Aber dass dies sogar seinem Vater auffiel, der ja auch nicht gerade für seine exklusive Gewandung berühmt geworden war, stimmte Bronstein nachdenklich.
    „Ich glaube, wir haben unser Verhältnis gelöst.“
    Bronstein war in höchstem Ausmaß überrascht, wie beiläufig ihm dieser Satz über die Lippen gekommen war. Der Vater nickte bedächtig. „Tut’s weh?“, fragte er dann.
    „Einstweilen noch nicht. Aber ich fürchte, das kommt noch.“
    „Glaub mir, mein Sohn, es ist besser so. Das wäre niemals gutgegangen. Für eine Person dieses Hintergrunds kannst du niemals gut genug sein. Da hätte sich dein alter Herr etwas wackerer schlagen müssen, damit wir auch Edle von wären. So aber würde sie dir immer vorhalten, was sie für dich alles aufgegeben hat, um dir dann vorzuwerfen, was du ihr alles vorenthältst. Und ihre Kreise hätten dich ohnehin niemals akzeptiert. Du hast dir ganz einfach das falsche Fräulein angelacht. Das war von Anfang an klar. Und je früher du das erkennst, umso weniger Schmerzen wird dir die Sache bereiten.“
    Bronstein hätte etwas darum gegeben, die ganze Angelegenheit ebenso nüchtern und emotionslos wie sein Vater sehen zu können. Doch dafür brauchte es wohl die Abgeklärtheit des Alters. Er wollte etwas entgegnen, doch genau in diesem Augenblick kehrte die Mutter mit einem Tablett aus der Küche zurück. Sie stellte es auf den Tisch und hob dann drei Tassen mit Kaffee, ein Kännchen mit Milch und eine Schale mit Zucker heraus. Schließlich folgte noch ein großer Teller, auf dem sich der angekündigte Guglhupf befand. Während sich Bronstein Milch in den Kaffee goss und Zucker hinzugab, schnitt die Mutter den Kuchen an, sodass er sich auch davon bedienen konnte. Bronstein deutete nur auf die Zigarre und meinte: „Später, Mutter.“
    Endlich setzte sie sich auch. Es war ihr deutlich anzusehen, dass sie etwas mitteilen wollte, doch sie wollte offenbar die Form wahren, indem sie nicht länger ein Gespräch unterband, das eben in Gang gewesen sein musste. Aber Bronstein war für die Ablenkung dankbar: „Was gibt es bei euch Neues?“
    „Stell dir vor“, platzte es aus der Mutter heraus, „die Finkelsteins schicken jetzt auch ihre Tochter auf die Universität. Sie studiert dort ab Herbst Medizin. Hast du gewusst, dass das geht?“
    Bronstein zuckte mit den Schultern. „Muss ja wohl. Da gibt es ja diese Richter, wenn ich mich nicht irre, die hat sich

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