Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
großen Börsen Europas zu erzählen, und Mr. Born begab sich in sein Büro. Scharenweise Makler waren ebenfalls sehr früh unterwegs und drängten sich in der Halle und den Liften.
    »Was halten Sie davon, Born?« fragte einer von ihnen.
    »Was steigt, muß auch mal fallen«, sagte er. »Ich hab’ meine Schäfchen im Trockenen.«
    »Das hörte ich«, bemerkte der Mann mit einem Blick, der nach Borns Meinung Neid ausdrückte.
    Wien, Mailand, Paris und London meldeten wenig Erfreuliches auf den Tafeln im Kundenraum. Einige Kunden saßen bereits da, und die Angestellten der Nachtschicht hatten telefonisch eine Menge Orders für die Börseneröffnung entgegengenommen. Jeder wollte nur verkaufen.
    W. J. Borns grinste einen Mann von der Nachtschicht an und machte einen seiner seltenen Scherze: »Wie wär’s, möchten Sie nicht eine Maklerfirma kaufen, Willard?«
    Willard warf einen Blick auf den Anzeiger und sagte: »Nein, danke, Mr. Born. Aber es war nett, daß Sie an mich gedacht haben.«
    Die meisten Angestellten kamen früher als üblich; Katastrophenstimmung lag in der Luft. Born wies seine Leute an, zuallererst für seine persönlichen Klienten zu tun, was möglich war, und verschanzte sich in seinem Büro.
    Die Eröffnungsglocke war das Signal für das Losbrechen des Sturms. Die Fernschreiber hatten nicht die leiseste Chance, mit den heruntersausenden Werten Schritt zu halten. Das war kein Kursverfall mehr, das war der größte und steilste Börsensturz in der Finanzgeschichte. Born zog einige Genugtuung aus der Tatsache, daß die Schnelligkeit seiner Leute die Verluste seiner persönlichen Kunden etwas vermindert hatte. Später am Vormittag rief ein sehr prominenter Bankier an und bat Born, in einen Milliarden‐Dollar‐Pool einzusteigen, der den Markt stützen sollte. Born lehnte ab, da er wußte, daß keine Macht der Welt verhindern konnte, daß die MondBergbau‐AG am 11. September 1977 mit 27 Punkten notierte. Der Bankier hängte abrupt ein.
    Miß Illig erkundigte sich: »Wollen Sie Mr. Loring empfangen? Er ist hier.«
    »Schicken Sie ihn rein.« Loring war totenblaß und hielt ein zerknittertes Exemplar des Journal in der Hand. »Ich brauche Geld«, sagte er.
    W. J. Born schüttelte den Kopf. »Sie sehen ja, was los ist«, sagte er. »Geld ist knapp. Ich habe unsere Zusammenarbeit geschätzt, Loring, aber ich glaube, es ist jetzt an der Zeit, sie zu beenden. Sie haben eine runde Viertelmillion Dollar geerntet; ich erhebe keinerlei Anspruch auf Ihre Erfindung…«
    »Damit ist’s aus«, erklärte Loring rauh. »Ich hab’ die verdammten Geräte nicht bezahlt – nicht mal ein Zehntel davon. Ich hab’ spekuliert. Und heute früh seh’ ich, daß ich hundertfünfzigtausend mit Soja‐Aktien verloren hab’. Sie werden meine Maschine auseinandernehmen und abtransportieren. Ich brauche Geld.«
    »Nein!« sagte W. J. Born eisig. »Das ist mein letztes Wort!« »Sie werden heute nachmittag mit einem Laster die Generatoren abholen kommen. Ich hab’ sie hingehalten, bisher. Meine Papiere gingen rauf. Und jetzt – ich will ja nur soviel, daß ich weiterarbeiten kann. Ich muß etwas Geld auftreiben.« »Nicht bei mir«, sagte Born. »Schließlich ist das ja nicht meine Schuld.« Lorings häßliches Gesicht schob sich nahe an seines heran. »Nein?« fauchte er. Und breitete die Zeitung auf dem Tisch aus. Born las – zum zweitenmal – die Schlagzeile des Stock Exchange Journal vom 17. April 1975: WERTPAPIERSTURZ DURCH WELTWEITE KRISE: BANKEN SCHLIESSEN; KUNDEN STÜRMEN MAKLERBÜROS! Aber diesmal hatte er es nicht zu eilig, um weiterzulesen: »Ein weltweiter Wertpapierverfall hat Investoren bereits Milliarden Dollar gekostet, seit er gestern an der New Yorker Börse einsetzte. Das Ende der katastrophalen Flut von Verkaufsorders ist noch nicht abzusehen.
    Erfahrene Wallstreet‐Beobachter stimmen überein, daß der Anlaß für das abrupte und katastrophale Ende der großen Hausse das umfangreiche Abstoßen von Wertpapieren durch W. J. Born & Co gestern kurz vor Börsenschluß war. Die Banken sind schwer getroffen…«
    »Nein?« fauchte Loring. »Nein?!« In seinen Augen glänzte Wahnsinn, als er nach Borns dünnem Hals griff.
    Dominosteine, dachte W. J. Born verschwommen, als der Schmerz über ihn wegflutete, und es gelang ihm noch, einen Knopf auf seinem Schreibtisch zu drücken. Miß Illig kam herein, begann zu kreischen und verschwand wieder. Als sie mit ein paar kräftigen Männern zurückkehrte, war es schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher