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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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Erinnerungslücke auf die Station versetzt worden war. In rund fünfzehn Jahren konnte viel geschehen.
    Dann warf er einen Blick auf seine eigenen Schulterstücke, und das Emblem bekam plötzlich einen Sinn. Er war jetzt überzeugt davon, daß es sich um seine eigene Uniform handelte – und das Emblem besagte, daß er Leutnant gewesen war, ein Pilot der kleinen Raumfähre, die die Verbindung zwischen den Versorgungsschiffen und der Station aufrechterhielt.
    Irgendwie schien diese Erinnerung noch zuviel für sein Gehirn zu sein. Wieder entglitt ihm alles, und er stand reglos da und versuchte sich zu erinnern, wer er war und warum ihn seine Mutter hier allein gelassen hatte. Diese Phase dauerte jedoch nicht lang. Er riß seine Hand von einer geronnenen Blutlache an der Wand weg, und der plötzliche Schock brachte Fetzen von Erinnerungen an die Oberfläche.
    Er war von der Air Force zu einem Pilotenkurs für Fährraketen abkommandiert worden. Verschwommen erinnerte er sich, daß er während des Baus der Station mehrere Jahre lang Schiffe heraufgeflogen hatte. Als dann alles fertig und eingerichtet war, hatte er sich heraufversetzen lassen. Die große Raumstation war zu seinem Lebensinhalt geworden. Warum auch nicht? Sie würde für immer jede Kriegsgefahr bannen. Durch sie konnte die Menschheit ihre Aggressionen gegen den Weltraum abreagieren, statt gegen sich selbst. Die Station war der erste Schritt zum endgültigen Triumph des Menschen über die Natur, das große Ideal, das seine Generation angestrebt hatte.
    »Ideale!« sagte er abrupt und spuckte auf den Boden. Er schüttelte sich. Die Geste war widersinnig wie so vieles, was Menschen taten. Was blieb der menschlichen Rasse denn noch ohne Ideale, außer dem Schlamm, aus dem sie sich hochgearbeitet hatte?
    Er wanderte durch die schweigende Station, und es sah überall ziemlich gleich aus. Schließlich stieß er auf den zentralen Kontrollraum, aber die Tür war geschlossen und versperrt. Er kehrte um, und der Anblick gewaltsamen Todes machte ihm jetzt nichts mehr aus.
    Nun fürchtete er sich vor der Einsamkeit, und er hetzte durch die Räume, um nicht darüber nachdenken zu müssen, was die Ursache all dieser Zerstörung war. Er durfte einfach nicht daran denken.
    Er erreichte den Teil der Station, der dem Hydroponikraum gegenüberlag. Hier waren die Auswirkungen der Katastrophe durch die Entfernung geringer. Hoffnung stieg in ihm auf. Hier konnte noch jemand am Leben sein.
    Er fand schließlich einen Mann. Dieser Sektor wäre fast völlig verlassen gewesen. Es war jener Teil, der für wissenschaftliche Experimente und die Erforschung des Raums reserviert war. Aus irgendeinem Grund hatten die Menschen die Forschungsabteilung verlassen, bevor es passierte.
    Der eine Mann war jedoch genauso tot wie alle anderen. Eine Kugel war durch seine rechte Schläfe gedrungen und zwanzig Zentimeter weiter an die Metallwand geprallt. Es war kein Selbstmord – weit und breit war keine Schußwaffe zu sehen.
    Später, bevor er in den Sektor kam, wo die Zerstörungen wieder schlimmer wurden, fand er einen Toten, der in einem Sitz angeschnallt war, und eine Frau, die in einem Tank voll irgendeiner Flüssigkeit schwamm. In beiden Fällen zeigten Einschußlöcher die Todesursache an.
    Dann kam er zu dem zweiten Eingang des Kontrollraums. Er riß die Tür auf. »Captain Allistair! Leutnant Morgan!«
    Sie saßen in ihren gefederten Sesseln vor der Steuerkonsole, aber sie konnten ihm nicht mehr antworten. Sie waren anscheinend mitten in ihrer Tätigkeit hinterrücks erschossen worden. Die übrigen Männer, die im Kontrollraum Dienst getan hatten, waren ebenfalls tot. Sie waren allerdings nicht überraschend gestorben. Lage und Haltung der Leichen bewiesen, daß die Leute noch versucht hatten, die Tür zu erreichen, an der Fenton jetzt stand. Keinem war es gelungen. An den Wänden waren Bleispritzer, als hätte jemand mit einem Maschinengewehr den ganzen Raum bestrichen. Selbst die Erschütterung von der Explosion hatte die Spuren der verzweifelten Anstrengungen der Männer nicht zunichte gemacht. In diesem Raum war niemand mehr am Leben gewesen, als es passierte.
    Fenton spürte, daß sein Geist wieder in das Nichts der Erinnerungslosigkeit abglitt, aber er wehrte sich nicht mehr dagegen. Sein Kopf tat plötzlich furchtbar weh, und er tastete nach dem Verband, leise schluchzend. »Sue. Sue! Suzy, laß sie nicht…«
    Aber Susan war nicht bei ihm. Es war ihr freier Tag, und die
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