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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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diese Uniform ihm genau paßte. Dann fiel ihm ein, daß er nicht mehr wußte, wie und wann er sich das Rauchen angewöhnt hatte.
    Als er endlich an einer der Maschinen eine polierte Metallplatte entdeckte, die als Spiegel dienen konnte, traf ihn ein weiterer Schock. Das war sein Gesicht unter dem dicken Kopfverband – aber ein älteres, verbittertes Gesicht mit scharfen Falten um die Augen. Sein Körper war fülliger geworden, und die wenigen Haare, die unter dem Verband hervorschauten, waren mehr grau als braun. Er sah wie vielleicht fünfunddreißig aus, und nicht wie achtzehn, wie ihm seine Erinnerung sagte.
    Die verschwundenen Lebensjahre zerbrachen etwas in ihm. Er schrie auf und warf sich gegen die Tür der Kammer, riß sie auf. Dahinter lag ein langer, röhrenförmiger Tunnel.
    »Schwester! Hallo! Hilfe!«
    Aber die einzige Antwort war das Echo seiner eigenen Stimme, das von den Tunnelwänden widerhallte. Das Schiff, oder was es sonst war, schien wie ausgestorben. Er rief, bis ihn die Lungen schmerzten, aber nichts und niemand reagierte.
    Langsam, nur mit der Ruhe! Er dachte es, aber sein Herz klopfte weiter wie rasend, und kalter Schweiß brach ihm aus, ein klebriges Jucken unter den Verbänden. Verzweifelt stieß er sich ab und schwebte die Röhre entlang. An der jenseitigen Tür bremste er sich geschickt mit beiden Händen an den Wänden ab und spürte, daß er jetzt wieder etwas Gewicht hatte. Er wußte automatisch, daß er um so mehr Gewicht haben würde, je weiter er sich von der Achse der rotierenden Station entfernte; er nahm sich jedoch nicht die Zeit zu überlegen, woher er dieses Wissen hatte.
    Er riß die Tür auf und schob sich durch, in einen Raum voller Grünpflanzen in Hydroponiktanks. Wieder rief er, brüllte, bis das Dröhnen des Widerhalls an den metallenen Wänden seine Stimme ertränkte.
    Es war sinnlos. Die Station war stumm wie die üppig wachsenden Pflanzen, die ihren Sauerstoffvorrat ergänzten. Nicht das leiseste Geräusch wies auf die Anwesenheit von Menschen hin.
    Panik trieb ihn weiter, zur Tür des Hydroponikraums. Er griff nach dem Öffnungshebel, als er stolperte und in der leuchten Pseudoschwerkraft auf Händen und Knie vorwärtsstürzte.
    Er war über eine Leiche gestolpert. Der Leutnant trug das stilisierte Symbol der Hydroponikabteilung an den Schulterstücken, aber von seinem Kopf war nicht mehr viel vorhanden. Fenton wich angeekelt vor dem graurosa Brei zurück; dann bemerkte er, daß die Ecke eines Tanks damit beschmiert war. Der Kopf des Mannes war mit großer Wucht gegen die Kante geprallt, und der Tank war fester gewesen als der Schädelknochen.
    Es gab noch mehr Spuren einer unerklärlichen Katastrophe. Einige Tanks waren ausgeronnen, der Boden war stellenweise noch feucht, obwohl die Nährlösung abgeflossen war. Andere waren unter irgendeiner furchtbaren Gewalteinwirkung zerbrochen. Manche Pflanzen waren unverletzt, andere zu einem formlosen Brei zermanscht, als wäre jemand darauf herumgetrampelt.
    Fenton kam auf die Beine und kämpfte die aufsteigende Übelkeit zurück. Die Tür ließ sich nur schwer öffnen. Sie hatte sich verzogen und klemmte. Dahinter sah es noch weit schlimmer aus.
    Der Teil eines Frauenkörpers klebte zermalmt an einer Wand. Der Geruch bewies, daß die Leiche sich schon Tage hier befinden mußte. Hier wurde der ekelhaft süßliche Geruch des Todes nicht von den Pflanzen überdeckt. Fenton sah noch den Körper eines Mannes, aus dem ein Hebel herausragte, dann floh er.
    Im nächsten Raum gab es außer etlichen zertrümmerten Geräten nichts zu entdecken. Dahinter jedoch lag ein Schlafraum… Fenton hetzte durch, weiter, durch eine zerstörte Sektion nach der anderen. Irgendetwas hatte die Raumstation getroffen – er wußte jetzt, daß es eine Raumstation war –, und zwar mit solcher Gewalt, daß jeder, der nicht besonders geschützt war, zerschmettert, erschlagen oder aufgespießt wurde. Er hatte Glück gehabt. Die elastische Aufhängung mußte den Stoß aufgefangen haben, so daß ihm nichts passiert war. Außerdem war anscheinend das Zentrum der Station weniger schwer getroffen worden als die Außenteile.
    Das hieß, daß in diesem Bereich irgend etwas explodiert sein mußte. Im Vakuum konnte sich die Wirkung einer Explosion nicht fortpflanzen. Es kamen ihm jetzt eine Menge solcher Details in den Sinn, aber er erinnerte sich immer noch nicht, wie er hierher kam. Unterbewußt akzeptierte er, daß er irgendwann während dieser
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