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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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empfindet, wenn eine Last von einem genommen wird, der man sich noch gar nicht bewußt war?
    Unsere dritte Begegnung verlief völlig anders.
    Mein Häuschen, Chatcombe Cottage, liegt, wie der Name andeutet, in einem kleinen Tal in Devonshire, das früher bewaldet gewesen ist – Combe ist die örtliche Bezeichnung für ein waldiges Tal. Das Cottage stand etwas entfernt von den drei oder vier anderen Häusern, am Ende der Straße. Auf beiden Seiten stiegen die heidekrautüberwucherten Hänge steil an. Ein paar schmale Weidestreifen flankierten den Bach. Was von dem früheren Waldbestand übrig war, lag zwischen den Weiden und dem Heideland – hier ein schütterer Waldsaum, dort ein kleines Gehölz.
    Eines Nachmittags stand ich am Rand eines solchen Waldfleckchens, überblickte mein Grundstück und fand, daß es an der Zeit war, daß die Bohnen austrieben. Da hörte ich plötzlich das Knacken von Zweigen hinter mir. Ich hatte mit einem Blick entdeckt, wer da durch das Gehölz kam – ihr leuchtendhelles Haar verriet sie. Einen Augenblick lang starrten wir einander an wie bei der ersten Begegnung.
    »Äh – hallo«, sagte ich schließlich.
    Sie antwortete nicht sofort. Sie starrte mich weiter an. Dann fragte sie: »Ist jemand in Sicht?«
    Ich schaute den Weg entlang und dann zur anderen Hangseite hinüber.
    »Ich kann niemanden entdecken«, informierte ich sie.
    Sie drückte das Buschwerk auseinander und kam vorsichtig heraus,
    sich nach allen Seiten hin umsehend. Sie war genauso gekleidet wie damals, als ich sie das erste Mal gesehen hatte – nur war ihr Haar jetzt durch die Büsche etwas zerzaust. Auf dem groben Heideboden wirkten ihre Schuhe irgendwie noch fremdartiger. Sie sah etwas weniger verschreckt drein, als sie näher kam.
    »Ich…«, begann sie.
    Dann rief weiter drinnen im Tal eine Männerstimme etwas, und eine zweite antwortete. Das Mädchen erstarrte und warf mir einen gehetzten Blick zu.
    »Sie kommen. Bitte, bitte, verstecken Sie mich irgendwo. Schnell!«
    »Äh…«, sagte ich etwas aus der Fassung geraten.
    »Oh, schnell, schnell. Sie kommen«, drängte sie verzweifelt.
    Ihre Panik war nicht mehr zu übersehen.
    »Schön, kommen Sie mit«, sagte ich und führte sie zum Cottage.
    Sie rannte fast hinein, und als ich die Tür zugemacht hatte, schob sie den Riegel vor. »Lassen Sie nicht zu, daß sie mich mitnehmen. Bitte, lassen Sie’s nicht zu«, flehte sie.
    »Nun hören Sie mal, was geht hier vor? Wer sind ›sie‹?« fragte ich.
    Sie gab keine Antwort; ihr umherirrender Blick fiel auf das Telefon.
    »Rufen Sie die Polizei«, sagte sie. »Rufen Sie die Polizei, schnell.«
    Ich zögerte. »Habt ihr eine Polizei?« fügte sie hinzu.
    »Natürlich haben wir eine Polizei, aber…«
    »Dann rufen Sie sie bitte.«
    »Aber, hören Sie…«, wandte ich ein.
    Sie rang die Hände. »Sie müssen die Polizei holen, bitte. Schnell.«
    »Na schön, ich werde anrufen. Die Erklärung können dann Sie liefern«, sagte ich und hob den Hörer ab.
    Ich war an Verzögerungen im ländlich‐geruhsamen Kommunikationssystem dieser Gegend gewöhnt und wartete geduldig. Anders das Mädchen. Sie flocht nervös ihre Finger miteinander und schaute immer wieder zur Tür. Endlich kam die Verbindung zustande.
    »Hallo«, sagte ich, »spreche ich mit der Polizeistation Plyton?«
    »Plyton‐Polizei…«, sagte eine Stimme, als Schritte auf dem Kiesweg hörbar wurden und gleich darauf jemand kräftig an die Tür klopfte. Ich reichte den Hörer dem Mädchen und ging zur Tür.
    »Lassen Sie sie nicht herein«, bat sie und widmete sich dann dem Telefon.
    Ich zögerte. Das ziemlich herrische Klopfen wiederholte sich. Ich fand, daß man nicht einfach dastehen und sich weigern konnte, Leute hereinzulassen; außerdem, was machte das für einen Eindruck, wenn man eine junge Dame in sein Haus mitnahm und dann sofort die Tür absperrte…? Nach dem dritten Klopfen öffnete ich.
    Der Anblick des Mannes auf meiner Schwelle brachte mich aus der Fassung. Es war nicht sein Gesicht – das war durchaus nicht ungewöhnlich für einen vielleicht fünfundzwanzig Jahre alten Mann –, es war seine Kleidung. Man ist wirklich nicht darauf vorbereitet, Besuch zu bekommen, der etwas wie ein enganliegendes Eisläufertrikot mit einer hüftlangen, durchsichtigen Tunika trägt – jedenfalls nicht in Dartmoor und außerhalb des Faschings. Ich wurde meiner Verblüffung jedoch genügend Herr, um ihn zu fragen, was er wollte. Er reagierte nicht darauf, sondern

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