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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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und rannte den Gehsteig hinunter, wie Aschenbrödel, das den letzten Bus versäumt hat.
    Ich stieg ins Auto und fragte mich, mit wem sie mich verwechselt hatte. Ich war völlig sicher, daß ich sie noch nie gesehen hatte.
    Am nächsten Tag, als mir der Schankbursche von The Bull mein Bier hinstellte, sagte er:
    »Da hat gestern ‘ne junge Frau nach Ihnen gefragt, Mr. Lattery. Hat sie Sie erreicht? Ich hab’ ihr gesagt, wo Sie wohnen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wer war die Dame?«
    »Sie hat ihren Namen nicht gesagt, aber…«, und er beschrieb die junge Frau gut genug, daß mir das Mädchen von der anderen Straßenseite einfiel. Ich nickte.
    »Ich bin ihr gestern begegnet. Ich hab’ mich schon gefragt, wer sie sein könnte«, erklärte ich ihm.
    »Na, sie schien Sie recht gut zu kennen. ›War das Mr. Lattery, der vorhin hier war?‹ fragt sie mich. Ich sag’, ja, einer von unsern Gästen waren Sie. Sie nickt und überlegt ein bißchen. ›Er wohnt im Bagford House, nicht?‹ fragt sie weiter. ›Aber nein, Miß‹, sag’ ich, ›das ist der Besitz von Major Flacken. Mr. Lattery, der wohnt draußen im Chatcombe Cottage. ‹ Darauf erkundigt sie sich, wo das is’, und ich erklär’s ihr. Ich hoff’, das ist Ihnen recht. Sie war eine nette junge Lady.«
    Ich beruhigte ihn. »Sie hätte die Adresse überall bekommen können. Seltsam, daß sie sich nach Bagford House erkundigt hat – das ist ein Besitz, für den ich mich ernsthaft interessieren würde, wenn ich das nötige Geld dazu hätte.«
    »Na, dann beeilen Sie sich mal und verdienen Sie’s, Sir. Der alte Major wird’s nicht mehr allzulang machen«, meinte der Schankbursche.
    Damit war die Episode beendet. Wozu das Mädchen sich auch meine Adresse besorgt hatte, es ließ sich nicht bei mir blicken, und ich vergaß den Vorfall.
    Ungefähr einen Monat später sah ich sie wieder. Es war mir mehr oder weniger zur Gewohnheit geworden, ein‐oder zweimal die Woche mit einem Mädchen, Marjorie Cranshaw, auszureiten und sie nachher heimzufahren. Wir kamen dabei durch eine jener schmalen Sträßchen, die von hohen Böschungen flankiert sind, so daß zwei Autos mitunter Schwierigkeiten haben, aneinander vorbeizukommen. Ich hatte in einer Kurve bremsen und scharf an den Rand fahren müssen, weil ein entgegenkommender Wagen einen Fußgänger überholt hatte und fast in der Straßenmitte daherkam. Der Wagen wich aus und drückte sich an meinem vorbei. Dann erst sah ich mir den Fußgänger an – und erkannte jenes Mädchen. Im gleichen Augenblick erkannte auch sie mich und zuckte leicht zusammen. Ich sah, wie sie zögerte und sich dann entschloß, herüberzukommen. Sie lief einige Schritte heran, und es war deutlich, daß sie mich diesmal ansprechen wollte. Dann fiel ihr Blick auf Marjorie neben mir, was sie ihre Absicht ändern ließ. Sie tat, als hätte sie überhaupt gar nicht herüberkommen wollen, doch es mißlang ihr gründlich. Ich legte den Gang ein.
    »Oh«, sagte Marjorie laut und deutlich und in einem ominösen Tonfall, »wer war denn das?«
    Ich sagte, ich wüßte es nicht.
    »Sie schien dich aber gut zu kennen«, sagte sie ungläubig.
    Ihr Ton verärgerte mich. Es ging sie schließlich gar nichts an. Ich antwortete nicht.
    Sie war nicht willens, die Sache auf sich beruhen zu lassen. »Ich glaube nicht, daß ich sie schon gesehen habe«, erklärte sie nach einer Weile.
    »Sie könnte eine Touristin sein – was weiß ich«, sagte ich. »Es gibt hier viele.«
    »Das klingt nicht sehr überzeugend, wenn man bedenkt, wie sie dich angestarrt hat.«
    »Ich lasse mich nicht gern einen Lügner nennen, auch nicht indirekt«, sagte ich.
    »Oh, ich dachte, ich hätte dir eine ganz normale Frage gestellt. Natürlich, wenn es dir peinlich ist…«
    »Ich habe auch für anzügliche Bemerkungen nichts übrig. Vielleicht würdest du es vorziehen, den Rest des Weges zu gehen. Es ist nicht mehr weit.«
    »Ich verstehe. Es tut mir leid, gestört zu haben. Schade, daß es hier zu eng ist, um den Wagen zu wenden«, sagte sie, als sie ausstieg. »Guten Tag, Mr. Lattery.«
    Bei der nächsten Einfahrt war es nicht mehr zu eng, aber ich sah das Mädchen nicht mehr, als ich zurückfuhr. Marjorie hatte mein Interesse für die Fremde geweckt, so daß ich eigentlich gehofft hatte, sie noch zu treffen. Außerdem fühlte ich, obwohl ich keine Ahnung hatte, wer sie sein mochte, eine gewisse Dankbarkeit ihr gegenüber. Vielleicht haben Sie schon einmal jenes Gefühl erlebt, das man

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