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Titan 01

Titan 01

Titel: Titan 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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geht es, Doktor Gobie?« fragte ich ihn.
    Er zögerte, war offenbar etwas verlegen. Dann begann er sofort zu sprechen, als stürze er sich in eine unangenehme Aufgabe.
    »Es betrifft Tavia, Sir Gerald – äh, Mr. Lattery. Ich glaube, daß Sie vielleicht nicht ganz erfassen, welche ernsten Konsequenzen sich aus dieser verfahrenen Situation ergeben können. Es geht nicht nur darum, daß ich gewissermaßen verantwortlich bin, obwohl das mein Gewissen schwer belastet – es sind die unvorhersehbaren Folgen, die mir Sorgen bereiten. Sie muß wirklich zurückkehren, bevor der Schaden zu groß wird. Sie muß, Mr. Lattery.«
    Ich studierte ihn. Seine Glaubwürdigkeit stand außer Frage, seine Besorgnis war echt.
    »Aber, Dr. Gobie…«, begann ich.
    »Ich verstehe durchaus, was das vielleicht für Sie bedeutet, mein Herr, doch ich flehe Sie trotzdem an, Tavia zur Rückkehr zu bewegen. Nicht nur meinetwegen oder um ihrer Familie willen, sondern um der Menschheit willen.
    Man muß so vorsichtig sein; die Folgen der geringsten Handlung sind unberechenbar. Die Ordnung, die Harmonie muß bewahrt bleiben. Fällt auch nur ein einziges Samenkorn an die falsche Stelle, so können die Folgen bereits unabsehbar sein. Deshalb bitte ich Sie, sie zu überreden…«
    Ich unterbrach ihn, so freundlich ich konnte, denn worum es sich auch handelte, es ging ihm sehr zu Herzen.
    »Einen Moment, bitte, Dr. Gobie. Ich fürchte, es liegt doch ein Irrtum vor. Ich habe nämlich nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie sprechen.«
    Er zügelte seinen Eifer. Ein Ausdruck der Fassungslosigkeit erschien auf seinem Gesicht.
    »Sie.?« begann er, hielt dann nachdenklich inne und runzelte die Stirn. »Sie meinen, Sie sind Tavia noch nicht begegnet?« fragte er.
    »Soweit ich weiß, nein. Ich habe nicht einmal von jemandem namens Tavia gehört«, versicherte ich ihm.
    Das traf ihn sichtlich hart, und er begann mir leid zu tun. Ich fragte ihn nochmals, ob er nicht etwas trinken wolle. Aber er schüttelte nur den Kopf und gewann nach einer Weile wieder etwas die Fassung zurück.
    »Es tut mir schrecklich leid«, sagte er. »Sie haben recht, es ist ein Irrtum passiert. Bitte akzeptieren Sie meine Entschuldigung, Mr. Lattery. Sie müssen mich für ziemlich zerstreut halten, fürchte ich. Die Angelegenheit ist sehr schwer zu erklären. Ich möchte Sie bitten, das ganz einfach zu vergessen. Bitte, vergessen Sie es!«
    Er sah etwas bedrückt drein, als er sich schließlich verabschiedete. Ich machte mir anfangs wohl noch Gedanken über den Vorfall, aber im Lauf der nächsten Tage erfüllte sich doch Gobies letzte Bitte – zumindest glaubte ich das.
    Meine erste Begegnung mit Tavia fand einige Jahre später statt, und natürlich hatte ich zuerst keine Ahnung, daß sie es war.
    Ich hatte eben The Bull verlassen, um heimzufahren. Auf der High Street waren etliche Leute unterwegs, aber eben als ich die Tür meines Wagens öffnen wollte, bemerkte ich, daß einer der Passanten auf der anderen Straßenseite wie versteinert stehengeblieben war und mich anstarrte. Ich hob den Blick, und unsere Augen trafen sich. Die ihren waren haselnußbraun.
    Sie war groß und schlank und schön – nicht hübsch, sondern mehr. Ich konnte nicht anders, ich mußte sie mir genau anschauen.
    Sie trug einen recht unauffälligen Tweedrock und eine dunkelgrüne Strickjacke. Ihre Schuhe dagegen wirkten etwas ausgefallen – flache Absätze, aber irgendwie ungewöhnlich; sie schienen nicht recht zu ihrer übrigen Aufmachung zu passen. Noch etwas wirkte ungewöhnlich, obwohl ich mir nicht sofort klarwurde, was es war. Erst nachher fiel mir ein, daß es die Art gewesen sein mußte, wie ihr helles Haar frisiert war – die Frisur stand ihr sehr gut, aber der Stil entsprach irgendwie nicht dem Zeitgeschmack. Sie werden sagen, daß eine Frisur eben nur eine Frisur ist, und Damencoiffeure alle ihren eigenen Stil haben, aber das stimmt nicht. Zeitgeschmack hat nichts mit Modeströmungen zu tun: sehen Sie sich nur einmal Fotos an, die vor vielleicht dreißig Jahren gemacht wurden. Wie ihre Schuhe paßte ihr Haar nicht zu ihrer sonstigen Erscheinung.
    Einige Sekunden lang stand sie reglos da, ohne auch nur zu lächeln. Dann tat sie langsam, fast schlafwandlerisch, einen Schritt vorwärts, als wollte sie die Straße überqueren. In diesem Augenblick schlug die Uhr der Markthalle. Die junge Frau warf einen Blick zur Uhr hinauf, und plötzlich zeigte ihre Miene Erschrecken, beinahe Panik. Sie drehte sich um

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