Titan 03
blinden Augen fixierten Harry, seine Miene war drängend.
Harry seufzte. Offenbar mußte er den Blödsinn mitmachen, wenn er überhaupt zum Schlafen kommen wollte. Er öffnete die Tür und trat mit Marna in die Nacht hinaus. Sie schmiegte sich an ihn, legte die Arme um seinen Hals und preßte eine Wange an sein Gesicht. Unwillkürlich legte er die Arme um ihre Hüften. Ihre Lippen bewegten sich an seinem Ohr; er begriff erst einen Augenblick später, daß sie dringlich auf ihn einflüsterte.
»Ich mag Sie nicht, Dr. Elliott, aber ich will nicht, daß man uns alle umbringt. Können Sie sich noch ein Apartment leisten?«
»Natürlich, aber – ich will die beiden nicht allein lassen.«
»Darum geht’s gar nicht. Natürlich wäre es dumm von uns, nicht beisammen zu bleiben. Bitte. Stellen Sie keine Fragen. Sobald wir Vierzehn betreten, ziehen Sie die Jacke aus und werfen sie ganz beiläufig über die Lampe. Den Rest besorge ich.«
Harry ließ sich zum nächsten Apartment ziehen. Er warf die Gebühr ein. Die Tür begrüßte sie und ließ sie ein. Der Raum war identisch mit Apartment dreizehn. Marna schob ein Stück Plastik zwischen Tür und Rahmen, als die Tür sich schloß. Sie warf Harry einen auffordernden Blick zu.
Er zuckte die Achseln, zog sein Jackett aus und warf es über die Lampe. Das Zimmer wirkte sofort schattenhaft und düster. Marna kniete nieder, rollte einen Bettvorleger zusammen und zog die Überdecken vom Bett. Dann ging sie zum Wandtelefon und zog leicht daran, worauf der gesamte, flache Bildschirm an einem Scharnier herausklappte. Sie griff ins Innere des Apparats, packte etwas und zog es heraus. Es schien eine Spule mit Hunderten von Kupferdrahtwicklungen zu sein.
Marna ging zur Duschnische und spulte dabei Draht hinter sich ab. Ein Ende befestigte sie am Heißwasserhahn, ohne in die Duschwanne zu treten. Dann zog sie den Draht kreuz und quer durch das Zimmer wie ein Spinnennetz, knickte ihn und befestigte das lose Ende am Ablauf in der Duschwanne. Das zweite Stück Draht spannte sie nahe dem ersten auf, gab aber acht, daß sie sich nicht berührten. Vorsichtig den Drähten ausweichend nahm sie den zusammengerollten Teppich und warf ihn aufs Bett.
»Also dann – gute Nacht«, sagte sie, winkte Harry zur Tür und ermahnte ihn durch eine Geste, auf die Drähte aufzupassen. Als Harry heil hinausgelangt war, drehte Marna die Lampe ab, nahm das Jackett mit und huschte zu ihm hinaus.
Sie ließ die Tür hinter ihnen zufallen und seufzte erleichtert.
»Ist ja bestens«, fauchte Harry leise. »Jetzt sind beide Duschen im Eimer, und auf dem Boden schlafen werd’ ich auch müssen.«
»Auf eine Dusche müßten Sie auf jeden Fall verzichten«, sagte Marna. »Es wär nämlich Ihre letzte. Sie stehen unter Strom.« Ärgerlich und sich ein wenig albern vorkommend kehrte Harry mit Marna in das Apartment dreizehn zurück, wo er, um sich Luft zu machen, ein ganzes Bett für sich beanspruchte und den Jungen zu dem alten Mann steckte.
Harry konnte nicht schlafen. Zuerst war es die dumpfe Stille im Zimmer gewesen, dann das rauhe Atmen des alten Mannes und die leiseren Atemzüge von Christopher und Marna, was ihn nicht einschlafen ließ. Als Klinikarzt war er nicht gewohnt, mit anderen Personen in einem Zimmer zu schlafen.
Dann hatte sein Arm geprickelt – nicht stark, aber genug, um ihn wachzuhalten. Er stieg aus dem Bett und kroch zu Marna hinüber, die auf dem Boden lag, auch sie nicht imstande einzuschlafen. Schweigend bedeutete er ihr, das Bett mit ihm zu teilen, und beteuerte ihr durch Gesten, daß er sie nicht anrühren würde, er hätte gar kein Verlangen danach, und wenn er ein solches unvermutet verspüren sollte, schwor er bei Hippokrates, daß er sich beherrschen werde. Er wollte nur das Prickeln unter dem Armreif lindern, damit er endlich einschlafen konnte.
Sie bedeutete ihm, er solle sich neben sie auf den Boden legen, aber er schüttelte den Kopf. Schließlich gab sie so weit nach, daß sie sich neben dem Bett auf dem Boden ausstreckte. Wenn er sich auf den Bauch legte und seinen Arm herunterhängen ließ, hörte das Prickeln beinahe auf. Endlich fiel Harry in unruhigen Schlaf.
Er träumte, daß er eine lange und schwierige Lungenoperation durchführte. Die Steuerelemente des Mikrochirurgieapparates entglitten immer wieder seinen schwitzenden Fingern; das Skalpell durchtrennte die Aorta. Der Patient fuhr, plötzlich erwacht, von dem Operationstisch hoch, Blut sprudelte aus dem Herzen. Es
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