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Titan 03

Titan 03

Titel: Titan 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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Sicherheit… und keine Unsterblichkeit…
    Das Armband weckte ihn. Es hatte zu prickeln begonnen. Augenblicke später schmerzte es. Harry streckte die Hand aus. Das Laubbett neben ihm war noch warm, aber Marna war verschwunden. »Marna!« flüsterte er. Er richtete sich auf einen Ellbogen auf. Im Licht der Sterne, das durch die Baumkronen herabsickerte, konnte er erkennen, daß er allein auf der Lichtung war. Die Plätze, wo Pearce und der Junge sich hingelegt hatten, waren ebenfalls leer. »Wo seid ihr denn alle?« fragte er lauter.
    Er fluchte innerlich. Sie hatten den günstigsten Augenblick abgewartet und waren geflohen. Warum aber hatte dann Christopher sie erst im Wald gesucht und hierher gebracht? Und was glaubte Marna damit zu erreichen? Daß sie es allein bis zur Villa schaffte?
    Er fuhr zusammen. Etwas raschelte im Laub. Harry erstarrte zu völliger Reglosigkeit. Einen Augenblick später wurde er durch einen grellen Lichtschein geblendet.
    »Keine Bewegung!« sagte eine hohe Stimme. »Sonst schieße ich. Und wenn du davonläufst, wird dich Schnüffler zurückholen.« Die Stimme klang ruhig und gebildet. Die Hand, die die Waffe hielt, überlegte Harry, würde ebenso ruhig sein wie die Stimme.
    »Ich rühre mich nicht«, sagte Harry. »Wer sind Sie?«
    Die Stimme gab keine Antwort. »Ihr wart zu viert. Wo sind die anderen drei?«
    »Die haben Sie kommen gehört. Jetzt verbergen sie sich, um Sie dann zu überrumpeln.«
    »Du lügst«, sagte die Stimme verächtlich.
    »Hören Sie doch!« rief Harry drängend. »Sie scheinen kein Bürger zu sein. Ich bin ein Arzt. Stellen Sie mir doch eine Frage über Medizin, irgendeine. Ich habe einen wichtigen Auftrag. Ich muß dem Gouverneur eine Nachricht überbringen.«
    »Wie lautet die Nachricht?«
    Harry schluckte mühsam. »Die Lieferung wurde gestohlen. Es wird erst in einer Woche die nächste bereit sein.«
    »Was für eine Lieferung?«
    »Das weiß ich nicht. Wenn Sie ein Edling sind, müssen Sie mir helfen.«
    »Setz dich hin.« Harry setzte sich. »Ich habe eine Nachricht für dich. Der Gouverneur wird deine Nachricht nicht erhalten. Klar?«
    »Aber…«, fuhr Harry auf.
    Irgendwo hinter dem Licht ertönte ein schwacher Knall – kaum lauter als ein Husten. Harry spürte einen Stich in der Brust. Er blickte hinunter. Ein winziger Pfeil steckte zwischen den Aufschlägen seiner Jacke. Er versuchte danach zu greifen, aber es ging nicht. Sein Arm gehorchte nicht. Auch sein Kopf ließ sich nicht mehr bewegen. Er kippte seitlich um, ohne den Aufprall zu spüren. Nur Augen, Ohren und Lungen schienen von der Lähmung nicht befallen zu sein.
    Völlig bewegungsunfähig lag er da, und in seinem Gehirn überstürzten sich die Gedanken in panischem Entsetzen.
    »Jawohl«, sagte die Stimme gelassen, »ich bin ein Leichenfledderer. Einige meiner Freunde sind Kopfjäger, aber ich jage ganze Körper und liefere sie lebend ab. Das ist unterhaltsamer und einträglicher. Für Köpfe gibt es nur zwanzig Dollar, für einen ganzen Körper über hundert. Manche mit jungen Organen wie in deinem Fall sind noch viel mehr wert. – Los, Schnüffler, such die anderen!«
    Das Licht entfernte sich. Irgend etwas brach durchs Unterholz und verschwand. Nach und nach konnte Harry eine dunkle Gestalt ausmachen, die etwa drei Meter von ihm entfernt auf der Erde saß.
    »Du fragst dich sicher, was mit dir geschehen wird«, sagte der Leichenfledderer. »Sobald ich deine Begleiter gefunden habe, werde ich sie ebenfalls lähmen und meine Tragbahren rufen. Sie schaffen euch in meinen Hubschrauber. Dann bringe ich euch nach Topeka, weil ihr aus Kansas City kommt.«
    Harrys letzter Hoffnungsschimmer schwand.
    »Ich habe festgestellt, daß es so am besten funktioniert«, fuhr die hohe Stimme fort. »Man vermeidet Komplikationen. Das Krankenhaus in Topeka, mit dem ich zusammenarbeite, wird eure Körper kaufen; niemand wird Fragen stellen. Ihr seid permanent gelähmt, so daß ihr nie Schmerzen fühlen werdet, obwohl ihr das Bewußtsein nicht verliert. So bleiben die Organe immer schön frisch. Aber wenn du wirklich ein Arzt bist, wie du behauptest, brauche ich dir das ja nicht zu erklären. Vielleicht kennst du den Fachausdruck für das Lähmungsgift an den Pfeilen; ich weiß nur, daß es dem Gift der Grabwespe ähnlich ist. Mit Hilfe intravenöser Ernährung erhält man diese praktischen Organbanken oft jahrelang am Leben, bis man sie braucht…«
    Die Stimme redete weiter, aber Harry hörte nicht mehr zu.

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