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Titan 04

Titan 04

Titel: Titan 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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Problem keinen Gedanken. Es war Richard Hanshaw, der ihre Aufmerksamkeit beanspruchte. Er saß still an seinem Platz und war ganz offensichtlich gleichgültig gegenüber seiner Umgebung. Er war tief in seinem Innern verloren und schlichtweg nicht der gleiche Junge wie sonst. Unanzweifelbar hatte er am heutigen Morgen ein ungewöhnliches Erlebnis gehabt, und sie hatte in der Tat richtig gehandelt, als sie seine Mutter anrief, doch vielleicht hätte sie nicht die Bemerkung über die Sonde machen sollen. Dabei war das heutzutage doch ein ganz normaler Vorgang. Alle möglichen Leute wurden psycho‐sondiert. Keinerlei Schande war daran. Oder sollte es jedenfalls nicht sein.
    Schließlich rief sie Richard auf. Sie mußte es zweimal tun, bevor er reagierte und sich erhob.
    Das allgemeine Aufsatzthema hatte gelautet: Wenn ich mit einem alten Fortbewegungsmittel reisen könnte, welches würde ich wählen und warum? Miß Robbins bemühte sich, das Thema in jedem Semester durchzunehmen. Es eignete sich gut dazu, einen Sinn für Geschichte herauszubilden. Es zwang die Jungen, sich Gedanken über das Leben der Menschen vergangener Zeitalter zu machen.
    Sie lauschte, während Richard Hanshaw mit gedämpfter Stimme vorlas. »Könnte ich unter alten Fortbewegungsmitteln wählen«, las er, »würde ich mir das Strato‐Flugzeug aussuchen. Wie alle alten Vehikel reist es langsam, aber es ist auch sauber. Weil es durch die Stratosphäre fliegt, ist es rundum verschlossen, und deshalb kann man sich unterwegs keine Krankheit zuziehen. Bei Nacht kann man die Sterne fast so schön sehen wie in einem Planetarium. Schaut man hinunter, kann man die Erde wie eine Karte ausgebreitet sehen oder vielleicht Wolken…« Er las noch ein paar Sätze vor.
    »Es heißt Stratosphäre, nicht Stratospähre«, sagte sie freundlich, als er fertig war. »Man spricht das ph wie ein f aus, Richard. Und man sagt nicht von einem Flugzeug, es reise langsam. Man sagt auch nicht ›schön sehen‹. Was sagt man, Kinder?« Sie erhielt mehrere Antworten im Chor. »Ja, so ist es richtig«, sprach sie weiter. »Nun, was ist der Unterschied zwischen einem Adjektiv und einem Adverb? Wer kann mir das erklären?«
    Und so und ähnlich wurde der Unterricht fortgesetzt. Die Mittagspause verstrich. Einige Schüler blieben zum Essen; andere gingen heim. Richard blieb. Das fiel Miß Robbins auf, weil er es gewöhnlich nicht tat.
    Auch der Nachmittag ging vorüber, dann erscholl die Glocke zum letztenmal an diesem Tag, und der übliche verworrene Aufruhr entstand, als fünfundzwanzig Knaben und Mädchen ihre Utensilien zusammenpackten und sich saumselig in einer Schlange aufstellten. Miß Robbins klatschte in die Hände. »Vorwärts, Kinder. Komm, Zelda, nimm deinen Platz ein.«
    »Mein Ohrhörer ist hingefallen, Miß Robbins«, krähte das Mädchen zu seiner Verteidigung.
    »Na, dann heb ihn auf, heb ihn auf. Und nun rasch, Kinder, rasch.« Sie drückte den Knopf, der ein Stück der Wand in eine Nische rollen ließ und das graue Feld einer großen T‐Tür enthüllte. Dabei handelte es sich nicht um jene, welche die Schüler und Studenten gelegentlich benutzten, um zum Mittagessen heimzukehren, sondern um ein hochmodernes Modell, das zu jenem Teil der Ausstattung gehörte, worauf man in dieser gutgestellten Privatschule stolz sein konnte. Sie besaß nicht nur die doppelte Breite, sondern auch ein zusätzliches Schaltgerät von beeindruckender Leistungsfähigkeit, einen automatischen Serientaster, der die T‐Tür automatisch auf eine Anzahl verschiedener Koordinaten in einer bestimmten Reihenfolge adjustierte. Am Anfang eines Semesters mußte Miß Robbins jedesmal einen ganzen Nachmittag mit dem Mechaniker zubringen, um die Anlage auf die Koordinaten der Häuser aller neun Klassenzugehörigen einzustellen; danach jedoch benötigte sie – Gott sei Dank – für den Rest des Semesters kaum noch irgendwelche Wartung.
    Die Klasse stellte sich alphabetisch auf, zuerst die Mädchen, dann die Knaben. Die T‐Tür verfärbte sich samtschwarz, Hester Adams winkte mit der Hand und trat hinein. »Wiederse…!« Der Gruß blieb unvollständig, wie es fast jedesmal geschah. Die Tür wurde grau, dann wieder schwarz, und Theresa Cantrocchi trat hindurch. Grau, schwarz: Zelda Charlowicz. Grau, schwarz: Patricia Coombs. Grau, schwarz: Sara May Evans. Die Schlange verkürzte sich in dem Maße, wie die T‐Tür sie nach und nach verschluckte und jede Schülerin daheim absetzte. Natürlich

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