Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Titan 04

Titan 04

Titel: Titan 04 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
Vom Netzwerk:
zurechtzukommen. Der Mekkano erhielt die Instruktion, an der Tür – der mit einem T – mit sauberen Kleidungsstücken und einem Tergo‐Reiniger in Bereitschaft zu stehen. Richard wusch sich und wechselte die Kleidung ohne Murren. Seine Unterwäsche, die Socken und die Flexies waren ohnehin Wegwerfprodukte, und Mrs. Hanshaw trug klaglos die Kosten, welche die tägliche Vernichtung eines Hemds verursachte. Die Hosen ließ sie ihn schließlich eine volle Woche lang tragen, wonach sie durch verschleißintensive allabendliche Reinigung auch wirklich nicht länger tragbar waren.
    Eines Tages schlug sie Richard vor, er möge sie auf einem Ausflug nach New York begleiten. Ihr Grund war eher der unbestimmte Wunsch, ihn in Sichtweite zu behalten, als irgendein wohlüberlegter Plan. Er erhob keinen Einwand. Er freute sich sogar. Ohne ein Anzeichen von Unbehagen trat er durch die T‐Tür. Er zögerte nicht einmal. Er schnitt auch nicht jene Miene des Widerwillens, die er an jenen Morgen aufzusetzen pflegte, wenn er ausnahmsweise die T‐Tür benutzte, um die Schule aufzusuchen.
    Mrs. Hanshaw war sehr froh. Sie wähnte nun darin eine Möglichkeit, ihn langsam wieder an den Gebrauch der T‐Tür zu gewöhnen, und sie bemühte ihren ganzen Einfallsreichtum, um sich Anlässe für Ausflüge mit Richard auszudenken. Sie nahm es sogar in Kauf, daß die Energiekostenrechnung in eine bislang ungekannte Höhe schnellte, als sie einen Besuch in Kanton vorschlug, um dort einer chinesischen Festlichkeit beizuwohnen, und sie diesen Vorschlag dann in die Tat umsetzten.
    Das war an einem Sonntag, und am nächsten Morgen ging Richard schnurstracks zu der Klappe in der Wand, die er vorwiegend benutzte. Mrs. Hanshaw sah es, weil sie früher erwacht war als sonst. Erstmals, da sie sich nun über jedes erträgliche Maß gequält fühlte, wandte sie sich kläglich an ihn. »Warum nimmst du nicht die T‐Tür, Dickie?«
    »Nach Kanton ja, aber in die Schule will ich sie nicht nehmen«, erwiderte er und trat aus dem Haus.
    So endete ihr Vorhaben mit einem Fehlschlag. Und dann kam Richard eines Tages völlig durchnäßt heim. Der Mekkano umkreiste ihn unentschlossen, und Mrs. Hanshaw, soeben von einem vierstündigen Kaffeeklatsch bei ihrer Schwester in Iowa zurückgekehrt, entfuhr ein lauter Aufschrei.
    »Richard Hanshaw!«
    »Es hat zu regnen angefangen«, berichtete er niedergeschlagen. »Ganz plötzlich fing es zu regnen an.«
    Einen Moment lang erfaßte sie nicht den Sinn seiner Erklärung. Seit ihrer Schulzeit und dem Geographieunterricht waren zwanzig Jahre verstrichen. Dann erinnerte sie sich und malte sich jenen Anblick von Wasser aus, das rücksichtslos und unaufhörlich vom Himmel goß – eine wahnwitzige Wasserkaskade, die sich mit keinem Hahn abdrehen ließ, mit keinem Knopf abstellen, die man mit keinem Schalter abschalten konnte. »Und du bist draußen im Regen geblieben?« fragte sie.
    »Nun, hmm, Mutter, ich bin so schnell nach Hause gelaufen wie ich konnte«, sagte er. »Ich wußte doch nicht, daß es regnen würde.«
    Mrs. Hanshaw wußte nichts mehr zu sagen. Sie war entsetzt, und das Entsetzen füllte sie zu sehr aus, um Platz für Worte zu lassen. Zwei Tage später lief Richards Nase, und seine Kehle war trocken und rauh. Mrs. Hanshaw mußte eingestehen, daß der Virus namens Krankheit in ihrem Haus Unterschlupf gefunden hatte, als sei es eine elende Hütte der Eisenzeit.
    Ihre Hartnäckigkeit und ihr Stolz zerbrachen daran, und sie fand sich damit ab, daß Richard doch psychiatrische Hilfe benötigte.
    Mrs. Hanshaw verfuhr bei der Auswahl des Psychiaters sehr sorgfältig. Zuerst gedachte sie einen in größerer Entfernung ausfindig zu machen. Für eine Weile erwog sie, ob sie sich unmittelbar ans Medizinische Zentrum in San Francisco wenden und dort einen aussuchen solle. Dann fiel ihr jedoch ein, daß sie auf diese Weise nur irgendeine namenlose Ratsuchende wäre. Man würde ihr nicht mehr Aufmerksamkeit widmen als einem beliebigen Benutzer öffentlicher T‐Türen aus den städtischen Elendsvierteln. Blieb sie dagegen mit ihrem Anliegen innerhalb der Gemeinde, besaß ihr Wort Gewicht…
    Sie nahm die Distriktkarte zur Hand. Es war eine aus jener vorzüglichen Reihe von Karten, welche die Doors Inc. herstellte und an ihre Kunden kostenlos abgab. Als sie die Karte entfaltete, konnte Mrs. Hanshaw nicht einen kleinen Schauer von Stolz auf ihren Bürgerrang unterdrücken. Es handelte sich nicht bloß um ein sauber gedrucktes

Weitere Kostenlose Bücher