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Titan 05

Titan 05

Titel: Titan 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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aber ihr Gesicht wirkte gedunsen, und ihre Augen waren gerötet.
    »Es tut mir leid, daß ich noch nicht fertig bin, Amos. Aber gleich nach dem Telegramm kam Anne Seyton. Sie hatte es noch vor uns gehört, und…«
    Der Fernseher war eingeschaltet und zeigte eine Schlagzeile der ›Kansas City Star‹, und er sah, daß es nicht nötig war, ihr die schlimme Nachricht zu sagen. Er bedeckte ihre Hand mit der seinigen und drückte sie. »Gott hat nur genommen, was er gab, Ruth. Wir waren dreißig Jahre lang mit Richard gesegnet.«
    »Ich weiß.« Sie entzog ihm die Hand und wandte sich ab, um in die Küche zu gehen. Während er ihren vom Kummer gebeugten Rücken betrachtete, blieb sie stehen und sagte: »Hörtest du nicht? Anne ist hier, Dicks Frau! Sie heirateten, bevor er den Dienst antrat. Sie taten es insgeheim – nicht lange nach deinem Gespräch mit ihm über den Unterschied der Religion. Du solltest mit ihr sprechen, Amos. Sie hat Angst um ihre Leute in Clyde.«
    Er blickte seiner Frau nach, bis die Tür zufiel. Er hatte die Heirat nicht verboten; er hatte den Jungen nur gewarnt. Nach kurzem Zögern wandte er sich zu dem kleinen zweiten Schlafzimmer, das Richard bewohnt hatte. Auf sein Klopfen hörte er eine undeutliche Antwort und drückte die Klinke nieder.
    »Anne?« sagte er unsicher. Der Raum war verdunkelt, doch nachdem seine Augen sich darauf eingestellt hatten, konnte er ihren blonden Kopf und die schmale, beinahe unweibliche Gestalt sehen. Er streckte die Hand aus und fühlte ihre dünnen Finger in seiner Hand. Als er sich über sie beugte, sah er keine Tränen, aber ihre Hand erbebte mit dem trockenen Schluchzen, das ihren Körper schüttelte. »Anne, Ruth hat mir eben gesagt, daß Gott uns eine Tochter geschenkt hat…«
    »Gott!« sagte sie rauh und nahm ihre Hand aus der seinen. »Wessen Gott? Derjenige, der uns Insektenplagen und Dürre schickt, daß die Farmer verzweifeln? Der Gott, der Wirbelstürme entfacht, um den Fremden die Landung zu erleichtern?
    Ausgerechnet dieser Gott? Dick hat euch eine Tochter geschenkt, und er ist tot! Tot!«
    Amos zog sich wortlos zurück und verließ den Raum. Er hatte gelernt, den leisen Spott zu ertragen, mit dem Doktor Miller den Namen des Herrn aussprach, aber dies war etwas, was ihm eine Gänsehaut verursachte und jede Erwiderung in der Kehle steckenbleiben ließ. Anne war Mitglied einer anderen Kirche gewesen, aber sie hatte immer einen gläubigen, religiösen Eindruck auf ihn gemacht.
    Wahrscheinlich war es nur Hysterie. Er ging zur Küchentür, um Ruth zu sagen, sie solle mit dem Mädchen sprechen.
    Das schrille, heulende Pfeifen eines Tieffliegers schnitt kreischend durch die Luft, gefolgt von mehreren anderen, bis die Welt nur aus gellendem Lärm und brüllendem Donner zu bestehen schien. Gleichzeitig ratterte unmittelbar hinter dem Haus eine Serie dumpfer Einschläge in den Garten, und die Luft dort draußen war plötzlich voll Staub.
    Amos eilte durch die Küche zur Hintertür. »Ruth!« rief er, dann ließ er die angewinkelten Arme sinken.
    Ruth lag regungslos zwischen den Pflanzen ihres Gemüsegartens.
     
     
2
     
    Mein Gott, mein Gott, was hast Du mich verlassen, und stehst so ferne meinem Angstgeschrei und mei ne n Klagerufen?… Wie Wasser bin ich hingegossen; all meine Glieder haben sich gelöst. Mein Herz ist mir wie Wachs geworden, in meinem Busen hinge schmolzen. Vertrocknet ist wie Lehm mein Schlund; am Gaumen haftet mir die Zunge, und wie mit To desfarb e überzieht es mich.
    Psalm XXII, 1, 15, 16
     
    Der unheilvolle Nachhall rollenden Donners hing noch über der Landschaft, als er hinauseilte, um sie aufzuheben. Von den fremden Tieffliegern war nichts mehr zu sehen; inzwischen mußten sie schon über Topeka sein.
    Ruth lebte noch. Eines der großkalibrigen Geschosse hatte sie in den Bauch getroffen und Fleischfetzen herausgerissen, und sie blutete schrecklich. Aber er konnte ihr Herz schlagen fühlen, und als er sie aufhob, stöhnte sie leise. Dann, als er sie so behutsam wie möglich auf die Couch niederlegte, öffnete sie die Augen, erkannte ihn und versuchte zu lächeln. Ihre trockenen Lippen bewegten sich, und er fiel neben ihr auf die Knie und beugte sich über sie, daß sein Ohr beinah ihren Mund berührte.
    »Es war dumm von mir, Amos. Unnötig. Tut mir leid.«
    Sie schloß die Augen, aber nachdem er sie auf die Lippen geküßt hatte, lächelte sie wieder. »Bin froh, jetzt. So lange gewartet.«
    Anne stand in der offenen Tür und

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