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Titan 05

Titan 05

Titel: Titan 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederik Pohl , Wolfgang Jeschke
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wenn auch immer langsamer, als ob sich ein letzter Rest von Lebenskraft wie die Spannung in einer entleerten Batterie erschöpfte.
    Die Priester tauschten Blicke aus und eilten ihm nach in die Dunkelheit.
    »Los!« murmelte Amos, heiser vor Erregung. Er wandte sich um und riß die Tür zur Sakristei auf, blickte suchend umher, während der Doktor ihm folgte und die Tür hinter sich schloß.
    Die Falltür existierte noch, war aber unter einem Teppich verborgen, den sein Amtsnachfolger in die Sakristei gelegt hatte. Sie rollten den Teppich zurück, hoben die Falltür an ihrem Ei‐senring und ließen sich nacheinander in den Keller hinab. Als der Doktor die Falltür schloß, fanden sie sich in völliger Dunkelheit, und Amos mußte sich zentimeterweise zur anderen Seite hinübertasten, den Arzt wie ein Kind an der Hand führend. Fünf Jahre waren vergangen, seit er hier unten gewesen war, und der Kellerboden war mit allerlei Holzabfällen und Unrat übersät.
    Er fand den Durchgang zur Kellererweiterung, und ein wenig später erreichten sie die rohe Brettertür, hinter welcher der Abzugskanal verlief. Sie war mit einem Vorhangschloß gesichert. Es kostete sie zehn Minuten erschöpfender Anstrengungen, während irgendwo in der Ferne aufgeregtes Geschrei der Mikhtschah zu hören war, bis sie die Tür mit blutigen Händen aufbrechen konnten und in den übermannshohen betonierten Tunnel durchstiegen. Eine Viertelstunde später kamen sie an der steilen Uferböschung des schmalen Republican River ins Freie, umgeben von nächtlicher Stille und dem Duft taufeuchten Grases. Nach kurzer Wanderung flußab fanden sie einen am Ufer vertäuten Kahn.
    Dann glitten sie lautlos den langsam ziehenden Fluß hinab, ruhten aus und beschränkten sich darauf, den Kahn mit gelegentlichen Rudermanövern in der Flußmitte zu halten. Es war noch immer tiefe Nacht, nur der matte Halbmond spendete ungewisses Licht, und sie hatten von Fliegern nichts zu befürchten. Doktor Miller suchte in seinen Taschen nach Zigaretten, zündete sich eine an und inhalierte genießerisch.
    »Also, Amos, du hast recht. Gott existiert. Aber verdammt noch mal, ich fühle mich deswegen um keinen Deut besser. Ich kann nicht sehen, in welcher Weise Gott oder das Wissen um seine Existenz mir helfen. Ich sehe darin nicht mal einen Nutzen für die Mikhtschah. Was bringt es ihnen ein, abgesehen von ein paar Wundern mit dem Wetter? Sie erledigen bloß Gottes Schmutzarbeit.«
    »Sie erhalten die Erde, denke ich – wenn sie sie wollen«, meinte Amos zweifelnd. Er wußte nicht, ob sie die Menschheit beerben sollten, noch konnte er sich vorstellen, welche Rolle die anderen Fremden in dem Gesamtplan übernommen hatten. Wenn er die Antworten einmal gewußt hatte, so waren sie ihm wieder entfallen. »Doc, du bist noch immer ein Atheist, obwohl du jetzt weißt, daß es Gott gibt.«
    Der Arzt grunzte und sog in der hohlen Hand heftig an der Zigarette, daß der Widerschein sein erschöpftes Gesicht hell beleuchtete. »Ich fürchte, du hast recht. Aber wenigstens bin ich noch mein altes Selbst. Das ist dir verwehrt, Amos. Du hast dein ganzes Leben auf die Nummer gesetzt, daß Gott recht hat und du ihm dienen mußt. Und wie konntest du ihm dienen? Nur indem du den Menschen Hilfe leistetest. Was willst du jetzt machen? Gott hat natürlich recht – aber alles, was du jemals geglaubt hast, steht dazu im Widerspruch, und du kannst ihm nur dienen, indem du deinesgleichen verrätst. Welche Art von Ethik ist jetzt noch für dich brauchbar?«
    Amos schüttelte bekümmert den Kopf und barg das Gesicht in den Händen. Das gleiche Problem war schon während der Flucht in sein Denken eingesickert. Seine erste Reaktion hatte darin bestanden, daß er Gott seiner bedingungslosen Treue und Ergebenheit versichert hatte; sechzig Jahre konditionierten Denkens lagen dahinter. Doch inzwischen fand er eine solche einfache Entscheidung nicht ohne weiteres annehmbar. Als Mensch konnte er sich nicht dem beugen, was er in den letzten Monaten als durch und durch böse erfahren hatte. Selbst wenn sie Gottes auserwähltes Volk sein mochten, so sagte er sich jetzt, waren die Mikhtschah nach den Begriffen, die ihm geläufig waren, böse und verabscheuungswürdig.
    Konnte er den Menschen die Tatsachen mitteilen und ihnen so den letzten Funken eines Glaubens an den Sinn des Lebens wegnehmen? Konnte er zum Feind überlaufen, der ihn nicht einmal wollte – außer zur Fütterung? Aber wenn nicht – konnte er die

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