Titan 06
Arbeiter-Maschinen sehen können mußten. Die Maschinen waren einfach wunderbar. Fünf Stunden lang wanderte ich durch die riesige Kraftwerksanlage des untersten Niveaus, beobachtete sie, und irgendwie fühlte ich mich weniger einsam, weil dieses pseudomechanische Leben da war, weil es Bewegung gab.
Die Generatoren, die ich sah, stellten eine Weiterentwicklung des Prinzips der Freisetzung dar, das ich – wann? – entdeckt hatte. Ich meine die Freisetzung der Energie der Materie… Als ich das erkannte, wußt ich, wie unfaßbar lange sie noch weiterlaufen würden.
Der gesamte untere Teil der Stadt gehörte den Maschinen. Tausende gab es. Die meisten davon aber schienen untätig zu sein oder höchstens unter Minimalbeanspruchung zu laufen. Ich erkannte ein Telefongerät, aber nicht eine einzige Verbindung war herzustellen. Es gab kein Leben mehr in der Stadt. Und doch, als ich einen kleinen Schalter neben dem Bildschirm herunterdrückte, schaltete sich das Gerät sofort ein. Es war bereit. Nur brauchte es niemand mehr. Menschen wissen zu sterben, Maschinen nicht.
Endlich begab ich mich auch in den oberen Teil der Stadt. Dort fand ich ein Paradies vor.
Bäume und Sträucher und Parks gab es da, und über allem lag das sanfte Licht, das in der Luft selbst entstand. Vor fünf Millionen Jahren oder mehr hatte die Menschheit gelernt, solches Licht zu erzeugen, vor zwei Millionen Jahren vergaß sie es wieder. Die Maschinen aber vergaßen es nicht und erzeugten noch immer jenes wunderbare Licht, ein weiches, silbrig-rosiges Leuchten, das in der Luft hing und in den Gärten seltsame Schatten entstehen ließ. Zur Zeit waren keine Maschinen dort, aber ich wußte, daß sie während des Tages heraufkommen würden und diese Gärten pflegten, um das Paradies für ihre Herren zu erhalten, die längst gestorben waren, die längst aufgehört hatten, zu funktionieren – was die Maschinen nicht konnten.
In der Wüste außerhalb der Stadt war es recht kühl und sehr trocken gewesen. Hier war die Luft weich, warm und erfüllt von dem Duft von Blüten, an deren Vervollkommnung Menschen wohl etliche hunderttausend Jahre gearbeitet haben mochten.
Auf einmal setzte irgendwo Musik ein. Sie schien in der Luft zu entstehen und sich überallhin auszubreiten. Der Mond ging eben unter, und als er verschwunden war, verblaßte der rosigsilberne Schimmer, und die Musik wurde deutlicher.
Sie kam von überall und nirgends. Sie war in mir. Ich weiß nicht, wie sie das machten. Und ich weiß nicht, wer solche Musik schaffen könnte.
Wilde machen Musik, die zu einfach ist, um schön zu sein, aber sie ist irgendwie ergreifend. Halbwilde schaffen Musik, die einfach und schön ist. Eure Negermusik war das beste Beispiel. Diese Menschen erkannten Musik, wenn sie sie hörten, sangen, wie sie empfanden. Halbzivilisierte Völker schaffen großartige Musik. Sie sind stolz auf ihre Musik und sorgen dafür, daß auch jeder weiß, wie großartig sie ist. Manchmal wird sie bombastisch.
Ich hatte unsere Musik immer für gut gehalten. Aber diese Melodie, die die Luft erfüllte, war ein Triumphgesang einer reifen Rasse, einer Menschheit, die ihren Höhepunkt erreicht hat! Es waren mitreißende, bewegende, unvergeßliche Töne, und sie zeigten mir wie in einer Vision, was die Menschen meiner Zeit erwartete.
Und während ich über die verlassene Stadt blickte, erstarb die Melodie. Die Maschinen hätten sie vergessen sollen, wie ihre Herren sie vor langer Zeit vergessen hatten.
Ich geriet schließlich in das Heim eines jener Menschen. Die Eingangstür war im Dämmerlicht nur undeutlich zu erkennen, aber als ich nähertrat, flammten Lampen auf, die seit dreihunderttausend Jahren nicht mehr geleuchtet hatten, und überschütteten den Eingang mit einem sanftgrünen Leuchten – ein wohltuendes Licht wie von unzähligen Glühwürmchen. Ich trat hinein, und sofort veränderte sich die Luft im Eingang hinter mir und wurde undurchsichtig wie Milch. Der Raum, in dem ich stand, war eine Komposition aus Metall und Stein. Der Stein war jettschwarz und fühlte sich wie Samt an, die Metalle waren silber- und goldfarben. Ein Teppich bedeckte den Boden, ein Teppich aus dem Material, wie ich es jetzt trage, nur viel dicker und weicher. Niedrige Liegen standen in dem Raum, bezogen mit einem ähnlichen weichen Metallgewebe. Auch sie waren in Schwarz und Gold und Silber gehalten.
Nie wieder habe ich etwas Derartiges gesehen. Ich glaube, ich werde auch nie mehr so etwas sehen,
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